"Drohgebärden":Debatte um Kirchenasyl flammt abermals auf
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Opposition und Freie Wähler im bayerischen Landtag kritisieren das Ermittlungsverfahren gegen Äbtissin Mechthild Thürmer. Diese muss sich als erste in Bayern wegen der Gewährung von Kirchenasyl vor Gericht verantworten.
Von Dietrich Mittler, München
Dass sich nun in Bayern erstmals eine Äbtissin wegen der Gewährung von Kirchenasyl vor Gericht verantworten muss, stößt innerhalb der Landtagsopposition auf Empörung. "Die Söder-Regierung versucht hier wohl ein Exempel zu statuieren", sagte Gülseren Demirel, die asylpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag.
Auch Alexandra Hiersemann, die ausländer- und asylpolitische Sprecherin der Landtags-SPD, hält mit ihrer Kritik nicht zurück: "Das Verfahren gegen Mutter Mechthild Thürmer ist in meinen Augen der Versuch, Fälle von Kirchenasyl jetzt scheibchenweise durch Drohgebärden aufzulösen." Die Taktik sei klar: "Man baut hier so viel Druck auf, dass Geistliche und Ordensleute von sich aus sagen, dass sie sich das nicht mehr antun wollen", erklärte Hiersemann am Montag.
Jahrzehntelang, so die SPD-Abgeordnete, seien in Bayern Kirchenasyle nicht verfolgt worden. Geändert habe sich das erst in der Zeit des früheren Justizministers Winfried Bausback (CSU). Bausbacks Amtsnachfolger Georg Eisenreich (CSU) hält offenbar an der Linie seines Vorgängers fest. Eine Sprecherin des Justizministeriums erklärte, zum Einzelfall der Äbtissin im oberfränkischen Kirchschletten könne sich das Ministerium zwar nicht äußern, grundsätzlich gelte jedoch: "Das Kirchenasyl ist Ausdruck des humanitären Engagements der Kirchen für geflüchtete Menschen, aber auch ein von ehrenwerten Motiven getragenes Engagement muss sich in einem Rechtsstaat an das geltende Recht halten."
Die Staatsanwaltschaft - im Fall der Ordensfrau aus der Abtei Maria Frieden ist das die Staatsanwaltschaft Bamberg - sei sogar verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen. Und zwar dann, wenn sich Kirchenasyl gewährende Personen über jene Vereinbarung hinwegsetzen, die 2015 zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den großen Kirchen geschlossen und 2018 einseitig vom BAMF verschärft wurde. Oder aber dann, wenn die Vereinbarung zwischen dem Bundesamt und den Kirchen im konkreten Fall "gar nicht gilt". Von welchen Prämissen im Fall von Mutter Mechthild Thürmer auszugehen ist, muss in Kürze das Amtsgericht Bamberg klären. Das Verfahren ist auf den 31. Juli angesetzt.
Keine Auskunft vermag das Justizministerium jedoch darüber zu geben, wie viele Geistliche und Ordensleute derzeit im Freistaat von der Justiz belangt werden, weil sie Asylsuchende bei sich aufgenommen haben. "Statistische Daten zu derlei anhängigen Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren ,wegen Kirchenasyl' liegen nicht vor", hieß es auf Anfrage.
Unklarheit besteht auch über die genaue Zahl der noch laufenden Kirchenasyle im Freistaat. Seitens der evangelischen Landeskirche hieß es dazu: "Wir betreuen aktuell 14 Kirchenasyle, ein weiteres ist in Vorbereitung." Bettina Nickel, die stellvertretende Leiterin des Katholischen Büros Bayern, erklärte: "Da wegen Corona keine Abschiebungen stattfanden, wurden auf katholischer Seite fast alle Kirchenasyle in Bayern beendet." Nickel geht daher lediglich von "maximal einer Handvoll Fälle aus", in denen sich Flüchtlinge noch in Obhut katholischer Einrichtungen befinden. "Derzeit gibt es aber gerade drei neue Anfragen für Kirchenasyle, die wir noch nicht gestartet haben", sagte Nickel. Das könne sich indes jeden Tag ändern, falls im Freistaat wieder Abschiebungen anstünden.
Rückhalt bekommen die Kirchen auch von den Freien Wählern, die augenblicklich mit der CSU auf der Regierungsbank sitzen. Landtagsvizepräsident Alexander Hold, der Sprecher der FW-Fraktion für Asyl und Integration, erklärte: "Solange sich Kirchen und Ordensgemeinschaften an die Regelungen der Vereinbarung mit dem BAMF halten, darf aus meiner Sicht das Kirchenasyl nicht kriminalisiert werden."