Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahlen in Bayern:Das Parteibuch zählt nichts mehr

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Die Stichwahl in Zeiten der Corona-Krise zeigt, dass es nicht unbedingt darauf ankommt, welcher Partei ein Kandidat angehört. Aber die Leute schauen offenbar genau darauf, wem sie ihre Kommune anvertrauen.

Kommentar von Sebastian Beck

Wenn sich aus diesen Stichwahlen überhaupt ein Trend herauslesen lässt, dann dieser: Das Parteibuch zählt zumindest bei Bürgermeister- und Landratswahlen überhaupt nichts mehr. Gewählt wurden jene Kandidaten, die als Persönlichkeit am meisten überzeugten.

Deshalb setzte sich in Nürnberg der CSU-Mann Marcus König gegen den blassen SPD-Apparatschik Thorsten Brehm durch. Und das in einer Stadt, die seit 2002 vom Sozialdemokraten Ulrich Maly souverän regiert worden ist. Das Ende eine Ära auch in Ingolstadt - nur eben andersrum. Nach fast einem halben Jahrhundert hat dort die SPD der CSU das Rathaus abgenommen. Im Oberallgäu ist die CSU mit ihrem Plan gescheitert, dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes ein Austragsstüberl im Landratsamt einzurichten: Der 59-jährige Alfons Hörmann verlor gegen Indra Baier-Müller von den Freien Wählern.

Oder der Landkreis Miesbach: Landrat Wolfgang Rzehak galt für die Grünen als Beweis dafür, dass es einer von ihnen selbst in einer tiefschwarzen Gegend zu was bringen kann. Der überforderte Rzehak wurde aber nach nur einer Amtszeit wieder abgewählt und durch einen CSU-Mann ersetzt.

Es reicht halt auch in Miesbach nicht, dass man in der Lodenjoppe aus der Kutsche grüßt. Gerade für die Grünen waren die Stichwahlen mit schmerzhaften Erfahrungen verbunden. In Landshut ging die frühere Landeschefin Sigi Hagl gegen den alles andere als souveränen FDP-Oberbürgermeister Alexander Putz unter. In Bamberg unterlag der scheinbar so aussichtsreiche Grüne Jonas Glüsenkamp gegen den SPD-Amtsinhaber Andreas Starke. Vor zwei Wochen hatten sich die Grünen noch darüber gefreut, dass sie in ganz Bayern zahlreiche Mandate dazugewinnen konnten. CSU und SPD standen als die großen Verlierer da.

Der erste Wahlgang spiegelte aber noch deutlich die Stimmungslage der vergangenen Monate wider, in der Klimapolitik, Rechtsradikalismus und Zuwanderung die Debatten dominierten. All das erscheint nun wie weggefegt. Das mag ein Grund dafür sein, warum die Wähler an diesem Sonntag bei der Stichwahl besonders genau auf die Personen geschaut haben, denen sie ihre Kommune anvertrauen. Und das ist am Ende vielleicht das beste Ergebnis.

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SZ vom 30.03.2020
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