Süddeutsche Zeitung

Dinge, die 2020 noch passiert sind:Menschen, Tiere, Kuriositäten in Bayern

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Ein Sieg für die Gleichberechtigung, ein justiziables Tattoo oder das Auf und Ab eines Holz-Phallus - auch vermeintlich kleinere Ereignisse waren eine Nachricht wert.

Frauen siegen über Tradition

Er will es nicht akzeptieren, dass künftig auch Frauen am traditionellen Ausfischen Stadtbachs in Memmingen teilnehmen können: Der Memminger Fischertagsverein, der das Spektakel jedes Jahr organisiert, ist gegen das Urteil des Amtsgerichts Memmingen in Berufung gegangen, das Frauen ausdrücklich die Teilnahme am Ausfischen ermöglicht hat. Der Spruch, den die Memmingerin Christiane Renz erstritten hat und der bundesweit Beachtung fand, betrachtet die Forderung nach Gleichberechtigung von Mann und Frau in Artikel drei des Grundgesetzes als schwerwiegender als die Vereinsfreiheit. Auf sie und die Tradition beruft sich der Fischertagsverein: Schon immer hätten nur Männer den Memminger Stadtbach ausfischen dürfen. cws

Ministeriale Tipps für Paare

Ob im alten Rom oder im heutigen Bayern - die Kunst zu lieben bedarf der Erfahrung. Und der Belehrung durch kundige Menschen. Mitte Mai begab sich Sozialministerin Carolina Trautner auf die Spuren des Dichters Ovid und empfahl die Website www.damit-die-Liebe-bleibt.de - darin Tipps für Paare. Gewissermaßen eine ministeriale ars amandi in Corona-Zeiten. Die gibt es mittlerweile auch als App. DM

Sexistisches JU-Wahlplakat

Ein Frauenpopo und Hände daneben bescherten der Jungen Union im oberbayerischen Mettenheim viel Entrüstung. So nämlich illustrierte der CSU-Nachwuchs sein Plakat zur Kommunalwahl: "Jetzt pack ma's an!". Die JU trat mit eigener Liste an. Nach Kritik im Netz wegen eines sexistischen Frauenbilds stoppte man die Kampagne. Doch ausgezahlt hat sich der Rummel - zwei Gemeinderatssitze für die JU. OJO

Rücken-Tattoo vor Gericht

Ein Gerichtssaal ist keine Peepshow und so blieben die Klamotten im November am Verwaltungsgericht München an. Den Richtern lag der in die Haut gestochene "Tatbestand" als Foto vor: das Tattoo eines Eisernen Kreuzes mit Schriftzug "Blaue Augen, blaues Blut" auf dem Rücken. Deswegen wurde ein Mann, der Polizist werden wollte, abgelehnt - wegen Bedenken daran, ob er auf dem Boden der Verfassung steht. Das Gericht ordnete zwar das Tattoo mit dem selbst kreierten Satz nicht zwingend der rechten Szene zu, doch der Spielraum des Dienstherrn sei enorm: "Erklärungsbedürftigkeit" sei bereits relevant. Ähnlich sah es das Bundesverwaltungsgericht 2020 beim unverfänglicheren Tattoo eines bayerischen Polizisten - "Aloha". OJO

Debatte ums Donaulied

Sauflieder wie das Donaulied versetzen Bierzelt-Massen in Ekstase. Auf den Text wird kaum geachtet, dabei wird die Vergewaltigung eines schlafenden Mädchens besungen. Unerträglich findet das die Studentin Corinna Schütz, die eine Aktion gegen derlei Bierzelt-Sexismus ins Leben rief und Zehntausende Unterschriften sammelte. 2021 soll sich der Landtag mit dieser Problematik befassen. HAK

Varianten vom "Gipfelzipfel"

In einen ordentlichen Jahresrückblick gehört ein Penis. Zuletzt war das 2018 so, weil auf einer Vernissage in Erlangen ein Kunstpenis zu Bruch gegangen war. Heuer erregte nun ein Holzpenis Aufsehen und zwar auf dem Allgäuer Grünten. Der war erst umgefallen, dann wieder aufgestellt worden, wurde danach abgesägt und schließlich durch einen anderen ersetzt. Jetzt gibt's ihn wieder, den "Gipfelzipfel". PRZ

Zoodirektor spricht Klartext

Nürnbergs Zoodirektor Dag Encke hat schon mehrmals dickes Fell beweisen müssen. So ging ihm die internationale Betriebsamkeit um einen Kleineisbären, der in Franken Flogge ausgesprochen wird, gehörig auf die Nerven. Der Kragen geplatzt ist ihm nie. Dieses Jahr schon, weil ein privater Radiosender glaubte, für den asiatischen Löwen Subali Spenden sammeln zu müssen, um diesen zu retten. Per Pressemitteilung ließ Encke klarstellen, das Leben des in die Jahre gekommenen und vielleicht zeugungsunfähigen Löwen sei "weder aktuell noch faktisch gefährdet". Encke hatte auf das ethische Problem hingewiesen, dass man sich als Zoochef mitunter vor die Frage gestellt sehe, für den Artenschutz womöglich Tiere töten zu müssen. PRZ

"INRI" als Profitbringer

Werner Lustig, Immobilieninvestor im schwäbischen Aichach, hat sich die Markenrechte für den Begriff "INRI" gesichert, mit dem die Römer Jesus am Kreuz als König der Juden verspottet haben sollen. Die Markenrechte nutzt er nun zum Verkauf religiös angehauchter T-Shirts. Ob ihm da viel Profit zu wünschen ist? Schon von wegen der Nadelöhr-Sache: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher... DM

Beten für die Autoindustrie

Audi und Amen - erstmals hat das Netzwerk Christen in der Automobilindustrie im Januar einen großen Gottesdienst in Bayern gefeiert, in Ingolstadt. Hunderte Gläubige von Herstellern und Zulieferern aus Süddeutschland beteten für den Erhalt der Jobs in der Branche und "Weisheit" für ihre Vorstände angesichts der Diesel-Betrugskrise. Einige Wochen später verschärfte die Pandemie dann die Krise des Industriezweigs. ojo

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SZ vom 31.12.2020
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