Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:Hemada, Haferlschuhe und Tote Hosen

Traditionen, etwa bei Kleidung, mögen für den einen oder anderen befremdlich wirken. Da passiert es leicht, dass eine Zuordnung komplett in die Hose geht.

Kolumne von Hans Kratzer

Hemad

"I hob lauter oide Hemada!" hat neulich ein Bekannter geklagt, der nun den Plan hegt, sich ein neues Hemd zu kaufen. Im Bairischen gibt es die Besonderheit, dass in das Wort Hemd der Vokal a eingeflochten wird, wodurch aus dem Hemd ein Hemad wird. Sprachgeschichtlich ist dies gut zu erklären. Folgt man dem Sprachwissenschaftler Ludwig Zehetner, dann ist im Hemad die zweite Silbe des mittelhochdeutschen hemede (althochdeutsch hemidi) erhalten geblieben. Diese erstaunliche Konstanz sollten all jene bedenken, die mundartliche Wörter für primitiv halten. Das Wort Hemad ist schon deshalb in Ehren zu halten, weil es eine sprachgeschichtliche Perle ist. Obendrein gibt es so schöne Verbindungen wie die Faschingsfigur Hemadlenz oder das wunderbare Hemadgnepfe (Knopf). Ganz zu schweigen vom Plural Hemada (san d'Hemada scho gwaschn?).

Haferlschuh

Der Tourneeauftakt der fusionierten Musikantentruppe Tote Hosen, Well-Brüder und Gerhard Polt sowie die Einkleidung der Alt-Punker im Trachtenladen in Schliersee ist in den Medien ausgiebig gewürdigt worden. Zu kurz kam dabei die dpa-Meldung, dass ein Mitglied der Toten Hosen mit "so komischen Schuhen" aufgetaucht sei. Die Agentur setzte beflissen dazu, derlei Haferlschuhe hätten nichts mit dem Trinkgefäß Haferl zu tun, sondern mit "halb", es sei also ein Halbschuh. Um das Ganze abzurunden, sei noch ergänzt, dass es ein Lederschuh mit seitlicher Schnürung ist, der auch einem ungestümen Schuhplattler standhält. Dass Sänger Campino angesichts von Lederhosen und Haferlschuhen von Karneval sprach, erhärtete den Verdacht, dass sein Weltbild nicht dem der Trachtler entspricht, die lieber in der Hölle schmorten, als sich als Karnevalisten zu betrachten.

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