Süddeutsche Zeitung

Gruppenausstellung auf Herrenchiemsee:Farben der Extraklasse

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In den unvollendeten Räumen des Neuen Schlosses Herrenchiemsee präsentieren neun Künstlerinnen ihre Werke. Und erinnern mit leiser Ironie an die "Königsklasse I"-Schau, als Arbeiten von Warhol, Baselitz oder Polke dort erstmals die rohen Wände zierten.

Von Julie Bäßler, Herrenchiemsee

Roher Ziegel, ein unverputztes Treppenhaus, Strichlisten und technische Kritzeleien an den Wänden. Was nach einer Baustelle klingt, ist streng genommen auch eine. Der Nordflügel des bayrischen Versailles wurde 1878 von König Ludwig II. in Auftrag gegeben, ist aber bis heute unvollendet geblieben. Des Märchenkönigs Verlust ist der Zukünftigen Gewinn, denn wo könnten Kunstwerke besser wirken als an unverputzten, erdig roten Backsteinwänden.

Im Kontext der Kunst wurde man erstmalig im Jahr 2013 aufmerksam auf den Ort, der nur mit dem Schiff zu erreichen ist. Unter dem Namen "Königsklasse I" schmückten Kunstwerke von Andy Warhol, Georg Baselitz, Sigmar Polke, Dan Flavin und anderen, die eigentlich in der Pinakothek der Moderne zuhause sind, die leer stehenden Räume. Was aufgrund von Sanierungsarbeiten an der Rotunde der Pinakothek anfangs als Versuch gedacht war, ging 2019 in die vierte Runde.

Auch Waltraud Zaggl, Initiatorin der Ausstellung "380 bis 780 Nanometer Extraklasse", die nun vom 2. bis 10. September in besagtem Rohbau des Neuen Schlosses Herrenchiemsee zu sehen ist, gehörte zu den damaligen Besucherinnen. Beeindruckt von der gigantischen Wirkung der Kunst an den schlichten Wänden, so Zaggl, fasste sie den Entschluss: "Hier möchte ich unbedingt mal ausstellen." Gesagt, getan, setzte sie diesen Wunsch 2017 in die Tat um. Aus drei Malerinnen, inklusive Waltraud Zaggl, und zwei Bildhauern wurde die "Extraklasse". Der Name ist in Anlehnung an die "Königsklasse" entstanden. Unter dem Motto "Farbe trifft Form" wurde eine Ausstellung kuratiert.

Was 2017 seinen Anfang nahm, wird 2023 in neuer Besetzung fortgeführt. Das gesamte Erdgeschoss des Nordflügels wurde für die Schau angemietet. Zu neunt nehmen sich die Künstlerinnen des Themas der Farbmalerei und Skulpturen an. Jede auf ihre eigene Art und Weise. So malt Martina Hamberger beispielsweise aus reiner Intuition heraus. Gegenstände ihrer Kunst sind Kreise, Linien und Flächen. Marie-Christine von Liebe fokussiert sich auf die jeweiligen Pigmente der Farbe, und Veronika Schulte-Bockholt malt nach Harmonie und Disharmonie von Musik. Patricia Wolf bringt neben den Bildern Objekte und Skulpturen auf die Herreninsel. Weitere Künstlerinnen sind Andrea Pfeil, Elisabeth Rosenberger, Gabriele Stephan und Leona Zeller. Die ausgestellten Bilder gibt es im Anschluss ebenfalls zu kaufen."

Einer der Räume vereint Kunstwerke aller Künstlerinnen. Hier hängen auch die Bilder von Eglé Otto an den Rohbauwänden. Ihre Malereien befassen sich mit Themen aus der griechischen Mythologie wie etwa Frauenbildern, Machtstrukturen oder der Darstellung von Helden. Die in Berlin und Hamburg ansässige Künstlerin hält am 2. September, 11 Uhr, die Eröffnungsansprache.

"380 bis 780 Nanometer Extraklasse" setzt ernste Themen, wie das Geschlechterverständnis der Gegenwart, Nachhaltigkeit und Recycling oder das Überordnungsverhältnis von Mensch und Natur auf abstrakte Weise um. Zu sehen sind keine Schockbilder von Naturkatastrophen oder Plastik in den Weltmeeren, vielmehr Kunst, die durch Konvergenz und Kontrast der Farben zum Nachdenken anregen soll.

"380 bis 780 Nanometer Extraklasse", 2. - 10. 9, Nordflügel des Neuen Schlosses Herrenchiemsee, Infos unter https://www.waltraudzaggl.de

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