Süddeutsche Zeitung

Vor Gericht:Getöteter Feuerwehrmann in Augsburg: Witwe sagt unter Tränen aus

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Die 51-Jährige berichtet von dem Abend, an dem ihr Mann von einem tödlichen Faustschlag getroffen wurde. Den genauen Tatablauf kann auch sie nicht schildern.

Von Florian Fuchs

Bevor die Witwe in den Gerichtssaal tritt, wechselt der Hauptangeklagte den Platz. Halid S. steht auf, dreht sich nach links, geht zwei Tischreihen nach hinten, geht an seinem Vater und an seiner Mutter vorbei und setzt sich wieder hin. Daniela S. muss so nicht direkt an dem 17-Jährigen vorbeigehen, der am 6. Dezember vergangenen Jahres ihren Mann erschlagen haben soll. Die Aussage, das hatte ihre Anwältin schon beim Prozessauftakt tags zuvor angekündigt, werde extrem hart für sie. Tatsächlich weint sie schon, als ihre Anwältin sie auf ihren Stuhl geleitet.

"Ich kann nichts essen, ich kann nachts nicht schlafen", sagte Daniela S. "Ich vermisse ihn einfach." 14 Jahre war S. mit ihrem Ehemann verheiratet, 25 Jahre waren sie ein Paar, bevor er am Nikolaustag aus dem Leben gerissen wurde. Halid S. muss sich wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge verantworten. Seine 18 und 20 Jahre alten Freunde stehen wegen schwerer Körperverletzung vor der Jugendkammer des Landgerichts Augsburg, sie sollen Christian M., der mit S. unterwegs war, verprügelt haben. Vorausgegangen war aus einer siebenköpfigen Gruppe von jungen Männern die Frage nach einer Zigarette, woraus sich ein Streit entwickelte, der eskalierte.

Zu der Vorgeschichte der unmittelbaren Auseinandersetzung kann Daniela S. nichts sagen, sie war mit ihrer Freundin vorausgegangen, zum Taxistand. Als sich die Frauen umdrehten, so schildern sie es beide, war Roland S. schon zu Boden geschlagen worden. "Ich habe nur die Gruppe wahrgenommen, die standen da und haben gegafft", sagt die Witwe. Anwältin Isabel Kratzer-Ceylan legt ihr die Hand auf den Rücken, unter Tränen ist ihre Aussage kaum zu verstehen. "Warum ist es uns passiert, warum gerade ihm." Er sei ein liebevoller, hilfsbereiter Mensch gewesen. "Deshalb war er ja bei der Berufsfeuerwehr, um Menschen zu helfen und zu retten", sagt Daniela S., gegen Menschen mit Migrationshintergrund habe er nie etwas gehabt. Alkohol habe er an diesem Abend schon getrunken, vor allem Glühwein auf dem Christkindlesmarkt. Aber auf Alkohol sei er nur immer müde geworden, nie aggressiv. "An dem Abend ist zuvor nichts Besonderes passiert, es gab keinen Stress", sagt sie. Warum er dann aber auf die Jugendlichen zugegangen sei, die ihn um eine Zigarette angeschnorrt hatten, warum er etwas wie "Halt die Klappe" gerufen habe, fragt der Staatsanwalt? Das könne sie sich nicht erklären, antwortet S., sie könne es auch nicht glauben.

Den genauen Verlauf der Auseinandersetzung und des tödlichen Schlags zu rekonstruieren, wird sich im Prozess schwierig gestalten. Zwar gibt es die Videoaufnahmen, Zeugen tun sich aber allesamt schwer damit, sich zu erinnern - oder sie haben im entscheidenden Augenblick nicht hingesehen. Das Gericht befragt an diesem Tag noch Personen, die zur Tatzeit am Königsplatz waren. Manche von ihnen haben kurz nach der Tat umfangreiche Aussagen bei der Polizei gemacht, heute vermischt sich bei ihnen das Erlebte mit Informationen aus Medien oder sozialen Netzwerken und sie verwickeln sich in Widersprüche.

"Es ging alles so schnell", sagt auch die Frau des schwer verletzten Christian M. bei ihrer Zeugenaussage. Sie war ihrem Mann zu Hilfe geeilt, hatte einen der mutmaßlichen Täter von hinten gepackt und versucht wegzureißen. Emotional angegriffen war auch sie bei ihrer Zeugenaussage, die Emotionen schlagen aber auch zwischen Verteidigern und Nebenklagevertretern sowie Staatsanwaltschaft weiter hoch. Rechtsanwalt Felix Hägele verliest zu Beginn des zweiten Prozesstags eine Erklärung, dass er am Vorabend schockiert von Aussagen der Nebenklage in Medien gewesen sei, wonach etwa Entschuldigungen der Angeklagten fehl am Platz seien. Fehler wie zu Beginn der Ermittlungen dürften sich nicht wiederholen, das mediale Feuer solle nicht angefacht werden. Staatsanwalt Michael Nißl fordert daraufhin den Vorsitzenden Richter auf, solche Erklärungen in Zukunft nicht mehr zuzulassen.

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