Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Bayern setzt bei Abschiebungen auf volle Härte

Lesezeit: 2 min

Von Dietrich Mittler, München

Bei der Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern aus Afghanistan lassen Bayerns Behörden derzeit offenbar alle bislang geltenden Schranken fallen. Am vergangenen Mittwoch wurde etwa Rahmat Khan in das Flugzeug nach Kabul gesetzt, obwohl der Landtag längst nicht über eine ihn betreffende Petition entschieden hatte. Nun soll offenbar auch der afghanische Musiker und Schauspieler Ahmad Shakib Pouya abgeschoben werden. Pouyas Unterstützer erklärten am Montag ihr Unverständnis über das Vorgehen der Behörden. Pouyas Fall liege "momentan der Härtefallkommission vor" - und auch sie habe noch nicht entschieden. Es wäre das erste Mal, dass ein Asylbewerber dennoch abgeschoben wird.

Laut Gesetz und Verordnung ermöglichen es Härtefallkommissionen, Ausländern ausnahmsweise eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, die eigentlich zur Ausreise verpflichtet sind. Dazu müssen jedoch dringende persönliche oder humanitäre Gründe vorliegen, die den weiteren Aufenthalt in Deutschland rechtfertigen. Nach geltendem Recht besteht zwar für die Betroffenen kein Schutz vor Abschiebung, während die Härtefallkommission ihren Fall bearbeitet - doch in Bayern ist dies in den zehn Jahren, in denen es diese Kommission nun gibt, stets so gehandhabt worden. Dabei habe es sich, wie Insider sagen, um ein "Gentlemen's Agreement" gehandelt. Ein ungeschriebenes Gesetz also, das nun nicht mehr zu gelten scheint.

Wie aus zuverlässigen Quellen zu vernehmen ist, ist Ahmad Shakib Pouya zurzeit für die Behörden nicht auffindbar. Fest steht nach Angaben seiner Unterstützer indes der geplante Zeitpunkt seiner Abschiebung. "Pouya muss am 22. Dezember in ein Flugzeug nach Kabul steigen", teilten sie mit. Nur eine einzige Person könne derzeit seinen Abschiebebescheid noch aufheben - der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

"Wir sind alle wie vor den Kopf geschlagen von der entsetzlichen und lebensbedrohlichen Situation, in der sich unser Freund befindet", erklärten Aktivisten der Initiative "Zuflucht Kultur", der seit nunmehr drei Jahren integrierende Bühnenarbeit mit Flüchtlingen - darunter geflohene Künstler aus Staaten wie Syrien, dem Irak, Iran, Afghanistan und Pakistan - betreibt. Pouya sei bei diesen Aufführungen seit Jahren als "Mitglied und Hauptdarsteller" und als "unverzichtbarer Solist" eine tragende Säule. Im Augsburger Grandhotel Cosmopolis, einem städtebaulichen Vorzeigeprojekt, in dem Asylbewerber und andere Gäste zusammenleben, beteiligte sich Pouya als Künstler an der Gestaltung der Räume.

Bei der IG Metall in Frankfurt habe sich der nun selbst von der Abschiebung bedrohte Künstler "als Dolmetscher und als überaus motivierter Alltagshelfer bei der Beratungsstelle für Flüchtlinge" bewährt. Man sei auch weiterhin auf seine Mitarbeit angewiesen. Aus seiner afghanischen Heimat habe Pouya fliehen müssen, weil er sich in den Augen der Taliban verdächtig gemacht habe. Deshalb, weil er in einem französischen Krankenhaus "eine Ausbildung als Zahnarzt und Krankenpfleger absolvierte" und dabei aus seiner liberalen, pro-westlichen Einstellung keinen Hehl machte. "Seine Situation wurde immer prekärer", erklärten nun seine Freunde, "und am Ende sah er keine andere Möglichkeit, als aus Afghanistan zu fliehen."

Die Landtags-Grünen meldeten im Fall des Afghanen Rahmat Khan wegen "der Missachtung des Petitionsrechts" bereits heftigen Protest an. Der Vorsitzende der Härtefallkommission, Wilfried Mück, gab sich am Montag eher zurückhaltend: Pouyas Fall sei bei der Kommission eingereicht worden. "Aber er steht bei uns noch nicht auf der Tagesordnung", sagte er.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3301956
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.12.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.