Süddeutsche Zeitung

Altersarmut:Bayerns Rentner müssen darben

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"Sozialer Sprengstoff": Jeder fünfte bayerische Rentner ist armutsgefährdet - und die Altersbezüge sind im Freistaat deutlich niedriger als anderswo. Der VdK kündigt Protestaktionen an.

Wolfgang Luef

Der Sozialverband VdK warnt vor einem Armutsproblem im Freistaat, das vor allem ältere Menschen betrifft: Jeder fünfte bayerische Rentner gilt demnach als armutsgefährdet, die Rentenzahlungen liegen im Durchschnitt deutlich niedriger als in anderen Bundesländern. "Hinter der schönen bayerischen Fassade sieht es in Wirklichkeit ganz anders aus", sagt Ulrike Mascher, Präsidentin des VdK.

Im Herbst dieses Jahres will der Verband eine bundesweite Kampagne gegen Sozialabbau starten. Außerdem fordert der VdK die Einsetzung eines Armutsbeauftragten, der - mit einem ähnlichen Status wie der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung - alle Gesetzesentwürfe darauf überprüfen soll, welche Auswirkungen sie auf arme oder armutsgefährdete Menschen haben.

Durchschnittlich 983 Euro bekommt ein männlicher bayerischer Rentner im Monat. "Das ist der traurige letzte Platz", sagte Mascher. An der Spitze der Bundesländer stehen das Saarland und Nordrhein-Westfalen mit 1119 Euro. Frauen bekommen in Bayern durchschnittlich knapp 500 Euro Rente - in Berlin sind es 684. Heute schon würden mehr als 400.000 Rentner in Bayern unterhalb der Armutsgrenze leben, sagte Mascher. Das heißt, sie haben weniger als 60 Prozent des bundesweiten Durchschnittseinkommen zur Verfügung.

Fast jeder fünfte Rentner im Freistaat gilt zudem als armutsgefährdet - im Bundesschnitt seien es deutlich weniger. "Das sind oft Menschen, bei denen schon eine einzige größere Investition reicht, um in die Armut abzurutschen", sagte Mascher. Ein kaputter Kühlschrank oder eine Dachreparatur werde für viele Rentner zum großen finanziellen Problem.

"Sozialer Sprengstoff"

Der VdK bezieht sich auf Zahlen aus dem aktuellen Sozialbericht der bayerischen Staatsregierung, der im Juni vorgestellt wurde. Mascher vermutet Kalkül dahinter, dass Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) ausgerechnet die Zeit der Fußball-WM für die Veröffentlichungen wählte: "So ging er im WM-Taumel unter." Dabei würde er "einigen sozialen Sprengstoff" enthalten.

Die auf Bundesebene gerade diskutierte Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre würde das Armutsrisiko bei Senioren noch erhöhen, sagte die VdK-Präsidentin. Auch das in Berlin beschlossene Sparpaket trüge zu einer Verschärfung bei. Einige der Beschlüsse, wie etwa die Streichung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger und die Zusatzbeiträge an die Krankenkassen "treffen die Älteren besonders hart", sagte die VdK-Präsidentin.

Für Herbst kündigte Mascher eine bundesweite Protestaktion "gegen den sozialen Kahlschlag" an. "Wir werden uns mit aller Macht wehren", sagte sie. Geplant sind neben Plakaten und Flyern auch Demonstrationen in mehreren bayerischen Städten. Eine erste Kundgebung ist bereits angesetzt: am 2. Oktober auf dem Würzburger Marktplatz.

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Quelle:
SZ vom 12.08.2010
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