Süddeutsche Zeitung

33. Kaltenberger Rittertunier:Jubel, Trubel, Pathos

Farbenfrohe Kostüme, spektakuläre Stunts, akrobatische Pferde, Schwert- und Lanzenkämpfe. Im oberbayerischen Kaltenberg geht das weltgrößte Ritterturnier über die Bühne. Mit einer hanebüchenen Story. Macht aber nix.

Lars Langenau

Das Schloss Kaltenberg bei Geltendorf nahe dem Ammersee in Oberbayern ist eher ein drolliges, wenig erhabenes Gebäude. Eine Art Miniatur-Camelot, wenn man es sich ganz arg vorstellt. Es wurde im Jahre 1292 erbaut und ist heute im Eigentum von Luitpold Prinz von Bayern, Urenkel des letzten bayerischen Königs, Ludwig III. Der echte Prinz ist Schirmherr des größten Ritterturniers der Welt. Nur 55 Kilometer von München entfernt, zieht es Jahr für Jahr Zehntausende Besucher an, die sich hier ins Mittelalter zurückbeamen lassen.

In Kaltenberg geht es jedoch nicht nur um Ritterkämpfe, sondern auch um das Begleitprogramm. Das gesamte Gelände ist in ein mittelalterliches Gelage verwandelt. Gaukler unterhalten die Besucher vor und nach der großen Rittershow in der Arena.

Selbst eine leibhaftige Hexe kreuzt da gerne mal die Wege der Besucher. Mussten sich die jüngsten Besucher schon vor den schwarzen Rittern fürchten, verkrochen sie sich nun beim Anblick der krummnasigen Dame vollkommen hinter dem Rücken der Erziehungsberechtigten.

In Kaltenberg gibt es jedoch nicht nur Gaukler und Hexen, sondern auch die heilige katholische Kirche, die hier noch immer via Ablassbrief eine Tilgung der Sünden verspricht. Nun ja, da weiß man doch, warum man Protestant ist.

Nun, jedes Jahr kommt in Kaltenberg etwas Neues hinzu. Dieses Jahr ist es etwa ein lebender Baum in Form der Straßenkünsterin Sandra Leiter, die mehrere Stunden völlig ungerührt auch in der fiesesten Sonne im Weg rumsteht. Zudem gibt es einen "Hildegard-von-Bingen-Garten", eine echte "Mittelalter-Familie", und (seit Jahren erfolgreich) einen Minnesang-Wettbewerb sowie ein paar historische Lager von Barbaren, Kelten und anderen Landvölkern.

Gaukler, Magier und Narren hatten es im Mittealter nicht leicht. Auf Kirchweihen und Messen mussten sie ihre Kreuzer mühsam verdienen. Hier in Oberbayern im 21. Jahrhundert geht das etwas gesitteter zu. Obwohl ...

... bunt geschminkt reicht auch hier kaum noch. Die Künstler dieses Spektakels veranstalten einmal am Tag einen großen Festumzug. Ganz kleine Kinder gehen da lieber (abermals) in Deckung ...

... und kommen erst wieder hervor, als liebreizende Bauchtänzerinnen den Weg kreuzen.

Aber auch ganz gewöhnliches Gesindel und Landsknechte treiben sich kostümiert herum. Manche gar fröhlich ...

... andere hingegen eher ernsthaft oder sogar ein wenig böse, aber wenn man von Mongolenhorden abstammt, dann muss das wohl auch so sein.

Hier zu sehen: Der Narr Wandelbar (rechts), der zum Kaltenberger Urgestein gehört, zaubert auf Kindergesichter ein Lächeln. Später am Tag verkleidet er sich auch noch als Don Quijote, der mit seinem Knappen Sancho Pansa - pathetisch von seinen wundersamen Erlebnissen erzählend - durch die Menge zieht.

Wandelbar auch das Schuhwerk, dass wie vieles auf dem Mittelaltermarkt selbst hergestellt ist und irgendwie sehr flauschig und weich aussieht (solange das Wetter stabil bleibt).

"Recken, haltet eure Weiber fest!" Hier kommt der schönste Mann von Kaltenberg. Ist das hier nur der Narr Nasenweis? Oder doch die Reinkarnation von Adonis im Adamskostüm? Jedenfalls ein lustiger Zeitgenosse, dem man nur gutes, sonniges Wetter wünschen mag.

Unschuldiger als Adonis ist hingegen eine Nymphe, die auf Stelzen um die Besucher herumgeistert.

Und irgendwann ist es dann so weit: Die Fanfaren erklingen, die Spiele sind eröffnet! Das Geheimnis um König Artus wird nach eineinhalb Stunden mit teilweise tumultartigen Kampfszenen gelüftet ...

... die krude Story auch des letzten Teils der Trilogie um König Artus hier zu erklären, würde zu weit führen. Jedenfalls wird es irgendwann anstrengend, wenn Merlin, der Zauberer (alias B3-Moderator Roman Roell), die Geschichte erzählt und zugleich auch aktiver Teil - in Kostüm und zumeist im Sattel - der Schauspielkombo ist. Roell/Merlin versucht sich in einem gestelzten Mittelhochdeutsch und ist doch gleichzeitig zu loben, da er der Einzige ohne Synchronisation ist.

Nur irgendwann wird es mit dem Pathos dann doch etwas zu viel, wenn etwa die "liebreizende" Königin Ginevra (Guinevere) auf ihrem stolzen Ross in den Krieg reitet ...

... und sie sich Unterstützung im Kampf gegen den bösen schwarzen Ritter Mordred und seine ebenso finstre Mutter, der Zauberin Morgana, im Morgenland bei Saladin (Mario Luraschi, Autor, Regisseur und Ausbilder der Pferde) holt.

Doch immer, wenn es in Kaltenberg fast unerträglich wird mit all dem Jubel, der Heiterkeit und dem Pathos, begeistert irgendetwas anders: In diesem Fall die Reitkünste der "Krieger aus dem Morgenland". Die Showpferde und die Reitkünste der Stuntmänner und Stuntfrauen sind wahrlich atemberaubend.

Und wenn dann noch die Flaggen im Wind wehen, dann haben die Macher des Ritterturniers es doch wieder geschafft: Ein zauberhaftes Fest, in dessen Mittelpunkt der Kampf Gut gegen Böse steht ...

... und der natürlich in diesem Jahr wieder von den Lichtgestalten gewonnen wird. Denn 2012 machen zwei Kinder den Unterschied: Nachdem im vergangenen Jahr das Böse triumphiert hat, lassen nun im Finale der groß angelegten Artus-Trilogie ein pfiffiger Zauberlehrling und Königssohn Leonhart von Pendragon die Hoffnung auf eine glückliche Zukunft wieder aufleben: Erstmals in der Geschichte des Kaltenberger Ritterturniers greifen damit zwei Halbwüchsige entscheidend in das Geschehen in der Arena ein.

Mit 200 Darstellern, 23 professionellen Stuntmen und 18 Pferden gilt das Kaltenberger Ritterturnier als eines der größten Mittelalterspektakel Deutschlands. Und, trotz zwischenzeitiger Verunsicherung der eigenen Kinder, ist eins sicher: Das Gute wird siegen!

Auch wenn es knapp aussieht: Am Ende verwandelt sich Mordred (Frédéric Laforêt) in einen Geier, die Schwarzen Ritter sind geschlagen - und, was Wunder, Artus hat gar einen Sohn, der sein Erbe antritt (siehe Bild 21).

Doch zuvor müssen Lanzen brechen im Kampf gegen das Böse: Hier tritt der Stuntman Romain Vergnaud alias Lancelot vom See gegen Mordred an. Der überraschende Sieg des Schwarzen Ritters im vergangenen Jahr hatte manch jungen Zuschauer ziemlich mitgenommen. Eine Sprecherin des Mittelalterspektakels berichtete sogar von Beschwerdebriefen aufgebrachter Eltern. Als Antwort hätten deren Kinder ein Schreiben von König Artus bekommen, der versichert habe, dass es ihm trotz Gefangenschaft gut gehe.

Ein Sieg, ein Sieg! Das Volk jubelt, der Zuschauer ist irgendwann ein wenig ermattet nach so vielen Entscheidungskämpfen und der hanebüchenen Story, aber ...

... alles hat ein Ende. Nur die Wurst, die hier als "Hirschwurst" fungiert, hat zwei. Immerhin: Für Kinder ist das Hammer - und Amboss zugleich.

Eine Begegnung mit König Artus und seiner schönen Gemahlin Ginevra auf dem Kaltenberger Ritterturnier ist noch den gesamten Juli möglich: Tagesveranstaltungen: Sa 21., So 22. und So 29. Juli 2012. Abendveranstaltungen: Fr 13., Fr 20. und Sa 28. Juli 2012. Kaltenberger Gauklernacht (Abendveranstaltung): Fr 27. Juli 2012. Eintritt: 22 bis 59 Euro.

Königin Ginevra und König Artus (hier im Bild) sind auf dem Kaltenberger Ritterturnier noch bis Ende Juli zu erleben. Tagesveranstaltungen: Samstag 21., Sonntag 22. und Sonntag 29. Juli 2012 / Abendveranstaltungen: Freitag 20. und Samstag 28. Juli 2012 / Gauklernacht: Freitag, 27. Juli / Eintrittspreise von 22 bis 59 Euro. Kinder unter 6 Jahren Eintritt frei; 6 bis 15 Jahre an Sonntagen 10,- Euro Ermäßigung, an Freitagen und Samstagen 5,- Euro Ermäßigung in allen Kategorien außer Loge.

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