Süddeutsche Zeitung

17. Sammelabschiebung:"Wohl das letzte Opfer der rigiden Abschiebepolitik"

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Von Dietrich Mittler

Das Schicksal des geduldeten afghanischen Asylbewerbers Mujtaba Ahmadi scheint besiegelt. Er soll an diesem Dienstag um 22 Uhr im Rahmen der nunmehr 17. Sammelabschiebung mit dem Flugzeug Richtung Kabul abheben. "Der junge Mann ist unbescholten, er spricht gut Deutsch, hatte ein Arbeitsplatzangebot mit der Perspektive, im kommenden März eine Berufsausbildung als Kochgehilfe antreten zu können", heißt es in einem der Schreiben an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, mit welchem jetzt Asylhelfer in letzter Minute eine Wende herbeiführen wollen.

Erst kürzlich hatte Herrmann in einem Interview des Münchner Merkur erklärt: "Wenn sich jemand gut integriert hat und in einem Betrieb gebraucht wird, werden wir in den allermeisten Fällen eine Lösung finden."

Der 23-jährige Afghane, der in Passau lebte, war am 18. September in der Zentralen Ausländerbehörde in Deggendorf in Polizeigewahrsam genommen worden, als er seine abgelaufene Duldung verlängern wollte. Anschließend wurde er nach Bremen in die Abschiebehaft gebracht. In Bayerns Abschiebegefängnissen fand sich offenbar kein Platz mehr für ihn. "Dieser junge Mann hat alles getan, um sich hier zu integrieren, hat mit Erfolg die Berufsintegrationsklasse und Sprachkurse besucht", sagt Stephan Dünnwald, einer der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

Es sei empörend, so Dünnwald, dass man Mujtaba Ahmadi nun zu kriminalisieren versuche, weil er nicht anwesend war, als ihn Polizeibeamte einer Abschiebung zuführen wollten. "Er war wohl ganz einfach die meiste Zeit bei seiner deutschen Freundin", sagt Dünnwald. Die Ausländerbehörden würden sich aber gar nicht erst die Mühe machen, etwas über die konkreten Lebensumstände der Betroffenen herauszufinden.

Ahmadi hätte nach Auskunft seiner deutschen Freundin bereits 2017 mit einer Berufsausbildung beginnen können. Doch eine Arbeits- und Ausbildungserlaubnis wurde ihm verweigert. "Ich habe durch Asylhelfer von mindestens 50, 60 Fälle erfahren, in denen junge Flüchtlinge in Bayern eigentlich einen Ausbildungsplatz hätten, diesen aber behördlicherseits nicht antreten dürfen", sagt Christine Kamm, die asylpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. Die Wahrheit sei schlichtweg, "dass die bayerischen Ausländerbehörden auch sehr gute Integrationsleistungen nicht würdigen".

Noch hat Kamm indes ihre Hoffnung nicht aufgegeben, dass die von Innenminister Herrmann angedeutete Bereitschaft, Lösungen für gut integrierte Flüchtlinge zu finden, sich auch auf Mujtaba Ahmadi auswirkt.

Andere hingegen hegen da ihre Zweifel, ob Hermanns Worten auch Taten folgen. "Die Ausländerbehörden hier sind nicht auf Integration gepolt, sondern einzig auf Abschiebung", sagt etwa Stephan Theo Reichel als Sprecher des Vereins "Matteo - Kirche und Asyl. In keinem anderen Bundesland, so ist sich Reichel sicher, hätte man Ahmadi auf die Abschiebeliste gesetzt. "Mujtaba wird am Dienstag wohl das letzte Opfer der rigiden Abschiebepolitik werden", glaubt Reichel, denn nach der Wahl werde die bisherige Asylpolitik der CSU in einer Koalitionsregierung endlich ihr Ende finden.

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