Süddeutsche Zeitung

Zum 100. Todestag von Rudolf Diesel:Eine selbstzündende Idee

Laut, lahm, stinkig: Der Dieselmotor war bis in die 1980er Jahre eher ein unkultivierter Antrieb. Das typische Nageln und die Rußwolken aus dem Auspuff waren nicht jedermanns Sache. Trotzdem machte der raue Motor Karriere.

Als sein Erfinder vor 100 Jahren am 29. September 1913 starb, war der Dieselmotor noch weit entfernt von den heutigen High-Tech-Ölbrennern. Inzwischen hat laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) jeder zweite Pkw in Europa einen Diesel unter der Haube. Bei Lkw und Schiffen sind es nahezu 100 Prozent. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) registrierte im vergangenen Jahr fast 1,5 Millionen neu zugelassene Autos mit Selbstzünder. Aktuell fahren rund 12,5 Millionen Pkw mit Dieselmotor - 2006 waren es nur 10 Millionen.

Mit diesem Erfolg wird der Erfinder und Namensgeber Rudolf Christian Karl Diesel wohl nicht gerechnet haben, als er im Februar 1892 beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin eine "neue, rationelle Wärmekraftmaschine" anmeldete, um die uneffiziente Dampfmaschine abzulösen. Einen Monat später wollte er seinen Motor bei der Maschinenfabrik Augsburg (heute MAN) produzieren lassen, bekam allerdings zunächst eine Abfuhr: Der dortige leitende Oberingenieur hielt den Luftverdichtungsdruck für viel zu hoch. Denn im Vergleich zum 1876 entwickelten Viertaktmotor kommt der Diesel ohne Zündkerze aus.

In den Zylindern wird Luft so stark komprimiert, dass sich der eingespritzte Kraftstoff - anfangs war es Petroleum - wegen der Hitzeentwicklung selbst entzündet. Da sich die Luft in den Brennkammern stärker verdichten lässt als beim Ottomotor, ist der Wirkungsgrad höher und der Motor sparsamer. Im Februar 1893 erhielt Rudolf Diesel das deutsche Patent mit der Nummer 67207. Nur ein paar Monate später besserte er seine Erfindung nach und bekam ein Patent für eine "Verbrennungsmaschine mit veränderlicher Dauer der unter wechselndem Überdruck stattfindenden Brennstoffeinführung".

Ungeklärter Tod

1897 lief der erste Dieselmotor mit 20 PS und einem Wirkungsgrad von rund 26 Prozent. Ein Jahr später wurden die ersten Exemplare vom Lizenznehmer Maschinenfabrik Augsburg ausgeliefert. Und schon bald löste der energiesparende Motor die Dampfmaschine ab. Ab 1903 liefen die ersten Schiffe mit Dieselmotor vom Stapel. Ein Schiff wurde dem erst 55 Jahre alten Rudolf Diesel schließlich auch zum Verhängnis: Er wurde zuletzt am 29. September 1913 bei einer Fahrt auf dem Postdampfer "Dresden" gesehen. Die genauen Todesumstände blieben ungeklärt. Seine Erfindung wurde nach seinem Tod weiterentwickelt und auch für den Automobilbau interessant.

Der Citroën Rosalie von 1933 war das erste Auto mit einem Dieselmotor, wurde aber nicht in Serie produziert. 1936 gaben dann die deutschen Dieselmodelle Mercedes-Benz 260 D und Hanomag Rekord ihren Einstand. Fast jeder Autobauer hat heute mindestens einen Diesel im Programm - auch die Premium- und Sportwagenhersteller. Porsche bietet zum Beispiel seit 2009 einen Selbstzünder für das SUV Cayenne an. Den Unternehmensangaben nach entscheiden sich in Deutschland inzwischen 80 Prozent der Kunden für diesen Motor mit bis zu 382 PS Leistung, weltweit rund ein Drittel.

Mehr als ein Drittel aller Pkw von Mercedes-Benz -inklusive der S-Klasse - haben einen Diesel unter der Haube. Bei Opel liegt der Anteil mit rund 30 Prozent knapp darunter, wobei die kleinsten Modelle der Rüsselsheimer ausschließlich mit Benzinern zu haben sind. Der größte Dieselhersteller Volkswagen bietet seit 1976 Autos mit Ölbrenner an, beim VW Passat Variant ordern mehr als 90 Prozent der Kunden ein Dieselmodell. Turbodiesel-Pionier Audi hat in den vergangenen 20 Jahren etwa 11 Millionen Selbstzünder produziert. Und sogar der Hybrid-Verfechter Toyota stellt seit 1959 Dieselmotoren her, bis heute etwa 25 Millionen Stück.

Die Herausforderungen: Emissionen und Abgasnachbehandlung

"Diesel- und Ottomotoren werden, begleitet vom Hochlauf der Elektromobilität, auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ihren Markt haben. Allerdings werden die Verbräuche weiter sinken und die Motoren damit effizienter", sagt VDA-Sprecher Eckehart Rotter. Stefan Pischinger von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) sieht den Diesel ebenfalls in den nächsten Jahren weiter gefragt: "Insbesondere bei Fahrzeugen mit höheren Leistungsanforderungen wie größeren Pkw, Nutzfahrzeugen, Baumaschinen oder Schiffen, bei denen der Kraftstoffverbrauch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit eine übergeordnete Rolle spielt, wird der Motor weiterhin dominieren."

Der Vorteil gegenüber Ottomotoren liegt laut Pischinger im besseren Wirkungsgrad. "Der Vorteil kann bis zu 25 Prozent betragen. Darüber hinaus eignet sich der Diesel hervorragend zur Aufladung, die ihm auch zu einem attraktiven Drehmomentverlauf verhilft." Doch der Diesel ist teurer. Gründe sind eine aufwendigere Konstruktion, das höhere Gewicht und die bei den steigenden Emissionsanforderungen komplexere Abgasnachbehandlung. "Wie bei Ottomotoren wird auch das Downsizing, also der Übergang zu kleineren Hubräumen, beim Dieselmotor weitergehen, was zu höheren spezifischen Leistungen führt", so Pischinger. Bestes Beispiel dafür ist BMW: Im aktuellen Fünfer schöpft das Triebwerk dank drei Turboladern aus drei Litern Hubraum 381 PS. Laut sind die Diesel vielleicht teils noch immer, lahm allerdings auf keinen Fall.

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