Süddeutsche Zeitung

Wasserstoff-Zukunft:Brennstoffzellen für Lkws gehen in Serie

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Daimler Trucks und die Volvo Group wollen in einem Gemeinschaftsunternehmen zusammenarbeiten. Nur durch hohe Stückzahlen lassen sich die Kosten des alternativen Antriebs senken.

Von Joachim Becker

Der Transportbedarf werde in Zukunft weiter wachsen, davon ist Martin Daum überzeugt. Und ein CO₂-neutraler Straßengüterverkehr könne nur durch einen elektrischen Antriebsstrang erreicht werden, so der Chef der Daimler Truck AG: "Für den Lkw-Einsatz im schweren Fernverkehr sind Brennstoffzellen eine entscheidende Lösung, weil sie den Wasserstoff an Bord in Elektrizität umwandeln können." Noch ist ein Lkw mit Brennstoffzellensystem aber mindestens 50 Prozent teurer als ein konventioneller Lastwagen. Daimler und die Volvo Group wollen nun ihre Kräfte bündeln, um den klimafreundlichen Antrieb zur Serienreife zu bringen. Das neue Gemeinschaftsunternehmen will die Alternative für anspruchsvolle Langstreckeneinsätze in der zweiten Hälfte diese Dekade auf den Markt bringen. In allen anderen Bereichen bleiben Daimler und Volvo Wettbewerber.

"Das ist ein starkes Signal für die Wasserstoff-Zukunft", betont Martin Lundstedt, "und ein sehr wichtiger Meilenstein auf unserem Weg, die CO₂-Ziele 2030 zu erreichen", so der Chef der Volvo Group. Diese produziert Trucks, Baumaschinen und Industriemotoren, während die Volvo-Pkw-Sparte seit vielen Jahren unabhängig ist. Auch die Personenwagen von Daimler profitieren nicht unmittelbar von dem Joint Venture. Ein neues Mercedes-Modell mit einem Wasserstoffantrieb sei in absehbarer Zeit nicht geplant, so Daum. Momentan produziert die Marke mit dem Stern die letzten von 3000 Exemplaren des GLC F-Cell. Der SUV mit Brennstoffzellen unter der Haube wird keinen Nachfolger bekommen, weil sich Mercedes auf die Einführung von reinen Batteriemodellen konzentrieren will.

Deshalb schlägt Daimler alle konzernweiten Brennstoffzellen-Aktivitäten dem neuen Gemeinschaftsunternehmen für Nutzfahrzeuge zu. Aufschlussreich ist, dass Volvo lediglich 600 Millionen Euro zahlt, um 50 Prozent des Unternehmens mit zunächst 250 Mitarbeitern zu erwerben. Damit wird die mehr als 25-jährige Erfahrung der Stuttgarter in der Entwicklung von Brennstoffzellensystemen vergleichsweise niedrig bewertet. Der Preis macht aber auch deutlich, dass ein großer Teil der Wegstrecke zu einer wettbewerbsfähigen Antriebsalternative erst noch zurückzulegen ist. "Ein Brennstoffzellen-Truck muss über zehn Jahre laufen und bei der Leistung sowie Effizienz mit einem Diesel-Truck mithalten können", erklärt Martin Daum auf Nachfrage, "der letzte Punkte wird der schwierigste, denn Brennstoffzellensysteme werden auf absehbare Zeit teurer bleiben als ein Dieselmotor."

Der Hauptgegner kommt aus Asien

Im Kontext des gegenwärtigen wirtschaftlichen Abschwungs sei eine Zusammenarbeit noch notwendiger geworden, um die europäischen Klimaziele in einem realistischen Zeitrahmen zu erreichen. Den Nutzfahrzeugherstellern fehlt einfach das Geld, um auf allen Hochzeiten zu tanzen. Das Problem haben alle Wettbewerber, doch auf die Frage nach weiteren Partnern reagiert Martin Daum ausweichend und verweist auf stationäre Anwendungen der Brennstoffzellen als umweltfreundliche (Notstrom-)Generatoren.

Daimler/Volvo werden sich gegen die Gruppe um Iveco und Nikola Motors mit Bosch als Systemzulieferer behaupten müssen, die einen Brennstoffzellen-Truck für 2023 angekündigt haben. Doch die Hauptgegner kommen aus Asien: Hyundai und Toyota fahren die Produktionskapazitäten für den Wasserstoffantrieb bereits in diesem Jahr hoch.

Die papierdünnen Brennstoffzellen müssen hundertfach gestapelt werden, um genügend Energie zu erzeugen. Wobei es der einzelnen Zelle egal ist, ob sie in einem Pkw oder Lkw zum Einsatz kommt. Im Kostenwettbewerb wird es darauf ankommen, möglichst hohe Stückzahlen zu produzieren. Deshalb ergibt die gemeinsame Nutzung für den Personen- und Güterverkehr gerade in der Hochlaufphase Sinn. Das weiß man auch bei Daimler und hält sich diese Option zumindest langfristig offen.

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SZ vom 25.04.2020
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