Süddeutsche Zeitung

VW Bora:Solidität vor Sportlichkeit

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Der Vento-Nachfolger soll mit altväterlichem Image aufräumen

(SZ vom 19.09.1998) "Dieser Wagen ist zur Zeit der beste aller Volkswagen", sagte VW-Vorstandsvorsitzender Ferdinand Piëch. Damit meinte er den Bora, der als Nachfolger des Vento am 6. November die Verkaufsräume verlassen wird. Der Name der neuen Stufenhecklimousine leitet sich von dem Fallwind ab, der an der dalmatinischen Küste weht. Daß der Bora ein solides Auto werden würde, war klar, schließlich müssen sich die Wolfsburger mit ihrer in der vergangenen Zeit rundum erneuerten Palette wirklich nicht verstecken. Allerdings kann so eine Aussage auch anders interpretiert werden, denn auch der Bora hat mit kleinen Schwächen zu kämpfen.

In der zweiten Reihe wird es eng

Dazu gehört zum Beispiel das Raumgefühl für die Fondpassagiere. Unbestritten gut sitzen Fahrer und Beifahrer, denn ein vom Golf bekanntes und bewährtes Armaturenbrett, Ablagefächer und Handschuhfach erlauben ebenso Bequemlichkeit wie gut konturierte Sitze und ein für den Lenker optimal ausgestatteter Arbeitsplatz. In der zweiten Reihe allerdings vermissen die Passagiere nicht nur eine ausreichende Kopffreiheit, sondern auch - bei einer Wagenlänge von 4,37 Metern - ausreichend Beinfreiheit, wenn die vorderen Sitze ganz nach hinten geschoben sind. Da überzeugt das Raumgefühl im Fond des kleinen, ebenfalls neuen Lupo mehr - trotz seiner Kürze von 3,5 Metern.

Nun werden aber hintere Kopf- und Beinfreiheit für viele kein Argument sein, sich dem Bora zu verschließen - und damit haben sie auch recht, denn sonst kann sich der Bora bezüglich Design und Technik wirklich sehen lassen. Die Karosserie hat den etwas altväterlichen Charme des Vento hinter sich gelassen - klare Linien, ein vertrautes Familiengesicht, wieder mit rechteckigen Klarglasscheinwerfern, hochwertige Materialien im Innenraum und gewohnt gute Verarbeitung machen den Bora zu einem moderenen und soliden Wagen.

Auch die Motorenpalette, die vom Verkaufsstart an drei Benzin- und zwei TDI-Motoren umfaßt, repräsentiert ebenfalls den Stand der Zeit. Das Leistungsspektrum reicht vom 1,6-Liter mit 74 kW oder 100 PS über den 2,0-Liter (85 kW oder 115 PS) bis hin zum 2,3-Liter-V5 mit 110 kW (150 PS). Die beiden TDI-Aggregate schöpfen aus einem Hubraum von 1,9 Liter 66 kW (90 PS) oder 81 kW (110 PS). Bereits die Basismotorisierung treibt den Bora ausreichend flott an, doch verleiht der V5 dem Bora das Image, das die Wolfsburger ihm gerne verleihen möchten. Mit dem Begriff der Sportlichkeit belegt VW den Bora, und dank eines straff, aber komfortabel ausgelegten Fahrwerks, einer direkten Lenkung und der ausreichenden Kraft des V5 kann das bisherige Spitzenmodell diesem Anspruch auch gerecht werden.

Fraglich ist allerdings noch, ob die zukünftigen Kunden des Bora überhaupt viel Wert auf dieses Image legen, denn traditionell sind Fahrer von Stufenheckautos eher eine konservative Klientel, die die Vorzüge der viertürigen Limousine mit einem großen Kofferraum (455 Liter, erweiterbar auf 785 Liter) schätzen. Auf jeden Fall bezieht VW klar Stellung, wenn sich die Wolfsburger vom Bora erhoffen, daß er einen neuen Kundenkreis für sich erschließen soll. Künftig sollen junge Paare und Familien oder Singles mit einem überdurchschnittlichen Einkommen im Bora fahren.

Komfort und Sicherheit

Allerdings ist diese Finanzkraft wegen des Bora-Preises nicht notwendig, denn bei 32 500 Mark für die Basisversion bekommt der Kunde nicht nur den 1,6-Liter-Motor, sondern eine ausgezeichnete Komfort- und Sicherheitsausstattung. Mit vier Airbags, ABS, Gurtstraffern, Scheibenbremsen hinten und vorne, Servolenkung, Zentralverriegelung und Isofix-Vorrüstung seien nur einige Punkte der Serienausstattung genannt. Zum Verkaufsstart sind die Ausstattungslinien Comfortline und Highline erhältlich, Trendline wird im kommenden Jahr folgen. Außer verschiedenen Ausstattungspaketen enthält die Optionsliste auch eine Klimaanlage für 2050 Mark und ein elektrisches Schiebedach für 1430 Mark.

Der Bora, der in Wolfsburg und im mexikanischen VW-Werk in Puebla gefertigt wird, soll 1999 in Europa 150 000 Käufer finden, wobei die Hälfte deutsche Kunden sein sollen. Wenn diese Kunden eine grundsolide Stufenhecklimousine zu einem angemessenen Preis suchen, werden sie vom Bora nicht enttäuscht werden.

Von Marion Zellner

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