Süddeutsche Zeitung

Verkehrsrecht:"Idiotentest" künftig bundesweit schon ab 1,1 Promille?

Lesezeit: 2 min

Schon ab 1,1 Promille zum "Idiotentest"

Die Zahl der sogenannten Idiotentests in Deutschland könnte demnächst stark steigen. Alkoholsünder sollen in Zukunft bundesweit einheitlich bereits ab einem Wert von 1,1 Promille die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) absolvieren müssen, wenn sie den Führerschein zurückerhalten wollen. Das empfiehlt der 54. Verkehrsgerichtstag, der heute in Goslar zu Ende gegangen ist. Die Grenze liegt derzeit in den meisten Bundesländern bei 1,6 Promille. In Bayern, Baden-Württemberg und Berlin wird die 1,1-Promille-Grenze in einigen Fällen aber bereits angewendet.

Zuletzt mussten jährlich etwa 45 000 Kraftfahrer wegen Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr zum sogenannten "Idiotentest". Fachleute gehen davon aus, dass diese Zahl nach einer Herabsetzung der Promille-Grenze durch den Gesetzgeber stark steigen wird.

Blutprobe für Alkoholsünder soll bleiben

Außerdem beschäftigte sich der Verkehrsgerichtstag mit der Forderung der Polizei, die Blutprobe für Alkoholsünder im Straßenverkehr abzuschaffen - und lehnte sie ab. Die Atemalkoholanalyse, die bei niedrigeren Promille-Werten ausreicht, sei bei Werten im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit über 1,1 Promille kein ausreichendes Beweismittel, stellte der Experten-Kongress fest.

Zur Begründung nannte der Verkehrsgerichtstag unter anderem Probleme mit der Umrechnung von Blutalkoholwerten auf die Konzentration im Atem und umgekehrt. Dazu seien noch wissenschaftliche Studien erforderlich. Die Polizei hatte sich vom Wegfall der Blutprobe eine große Zeitersparnis versprochen. Dass - wie bisher - ein Richter die Blutprobe anordnen muss, sei allerdings nicht nötig, meinen die Experten. Dies könne auch die Staatsanwaltschaft.

Nutzung von Dashcams soll gesetzlich geregelt werden

Der Verkehrsgerichtstag hat außerdem eine klare gesetzliche Regelung verlangt, wie Dachcams genutzt werden dürfen. Das Gremium stellte einerseits fest, dass die Aufzeichnungen der Minikameras Unfallhergänge und Straftaten aufklären können. Andererseits führten sie aber auch zur Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten Dritter.

Die Fachleute empfahlen weder, Dashcams generell zu verbieten noch sie generell zuzulassen. Stattdessen wünschen sie sich einen "Ausgleich zwischen Beweisinteresse und Persönlichkeitsrecht". Als Basis dafür soll das europäische Datenschutzrecht dienen. Aufnahmen sollten "anlassbezogen" zulässig sein, etwa bei einem drohenden Unfall. Andernfalls sollten die Bilder kurzfristig automatisch überschrieben werden. Verkehrsverstöße ohne gravierende Folgen sollen weiterhin verfolgt und aufgeklärt werden, ohne dafür Dashcam-Aufnahmen zu nutzen. Der Missbrauch von Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten, etwa durch eine Veröffentlichung im Internet, sollte zudem bestraft werden.

Auf dem Verkehrsgerichtstag treffen sich jedes Jahr Experten wie zum Beispiel Juristen, Rechtsmediziner, Polizisten und Beamte aus den Ministerien, um sich über Verkehrssicherheit auszutauschen. In der Vergangenheit wurden Empfehlungen des Gremiums immer wieder gesetzlich verankert, etwa das begleitete Fahren ab 17 Jahren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2840936
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.