Süddeutsche Zeitung

Transport:So fahren Tiere sicher im Auto mit

Lesezeit: 4 Min.

Sind Hund oder Katze im Auto falsch gesichert, kann ein Unfall unter Umständen böse enden - nicht nur für das Tier. Im Zweifelsfall sind auch die Menschen an Bord gefährdet.

Von Lea Weinmann

Schäferhund Rex sitzt auf der Rückbank des Kombis, als dieser mit 40 Stundenkilometern gegen die Wand fährt. Beim Aufprall fliegt der 35 Kilogramm schwere Rex zwischen den Vordersitzen hindurch und schlägt fast ungebremst gegen das Armaturenbrett. Der Schalthebel des Getriebes wird abgerissen, die Mittelkonsole bricht, Knöpfe und Schalter sind demoliert. Genickbruch, innere Verletzungen - wäre Rex ein echter Schäferhund, hätte er diesen Unfall niemals überlebt.

In diesem Fall war der Unfall nur ein Laborversuch und Rex ein mit Gewichten und einem künstlichen Skelett ausgestattetes Stofftier. Die Unfallforscher im Allianz Zentrum für Technik (AZT) haben diesen Unfall 2014 im Labor nachgestellt, um herauszufinden: Was würde bei einem Frontalcrash passieren, wenn Hunde im Auto nicht ordentlich gesichert sind? Schäferhund Rex hatte dabei Gesellschaft von noch zwei weiteren Hundedummys: Die mittelgroße Luna fuhr im Kofferraum des Autos mit - in einem Aufbewahrungskäfig, der laut Hersteller nicht für den Transport geeignet ist. Der nur sieben Kilogramm leichte Hundedummy Markus saß neben Rex auf der Rückbank, gesichert mit einem Hundegurt.

Das ernüchternde Ergebnis nach dem Crashtest: Alle drei Tiere hätten bei einem Frontalunfall mindestens schwere Blessuren davongetragen. "Obwohl er fest angeschnallt war, hatte das Geschirr von Markus noch zu viel Bewegungsfreiheit - er ist in die Rückenlehne des Vordersitzes eingeschlagen", sagt Versuchsleiterin Melanie Kreutner vom AZT. Der Käfig, in dem Luna im Kofferraum saß, verformte sich stark und brach auseinander.

Alles nur fiktiv, könnte man nun sagen, doch der Versuch kommt der Realität sehr nah. Erst Anfang Februar verlor ein Autofahrer auf der A 8 bei Burgau die Kontrolle über seinen Wagen. Im Laderaum waren zwei Hunde untergebracht. Der eine erlitt bei dem Unfall leichte Verletzungen, der andere wurde durch die Heckscheibe geschleudert und rannte davon. Erst bei einer groß angelegten Suchaktion der Rettungskräfte wurde das Tier wieder eingefangen - glücklicherweise unversehrt.

Knapp 14 Millionen Katzen und etwa 9,2 Millionen Hunde leben in deutschen Haushalten. Das hat eine Erhebung im Auftrag des Industrieverbands Heimtierbedarf und des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe im Mai 2018 ergeben. Die meisten dieser Haustiere fahren bisweilen im Auto mit - und wenn es nur für den Weg zum Tierarzt ist. Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen dazu, wie viele Autofahrer ihre Tiere ungesichert im Fahrzeug transportieren. Aber im Alltag sei das Problem ja deutlich erkennbar, sagt Jürgen Bente, Referatsleiter der fahrpraktischen Programme beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR): "Die Masse der Autofahrer schnallt sich selbst an und lässt den Hund hinten rein auf die Sitzbank. Um sich selbst macht man sich Gedanken - aber nicht um den Hund." Vor wenigen Jahren klärte Bente Anrufer bei einer Telefonaktion des DVR über die Gefahren von ungesicherten Tieren im Auto auf. Auch damals hatte er das Gefühl, dass viele die Gefahr gar nicht erkennen. "Das Problembewusstsein ist einfach nicht vorhanden."

Bei einem Unfall wird der Hund zum Elefanten

Auch der ADAC warnt vor den Risiken, die von unzureichend gesicherten Tieren im Auto ausgehen. Nicht nur für die Fellnase, sondern auch für den Menschen könne das gefährlich werden. Eigene Crashtests, die denen der Allianz-Unfallforscher ähnelten, sollten Autofahrer für das Thema sensibilisieren und ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie man es besser machen kann. Bei einem Unfall mit einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern erreiche ein Hund kurzfristig das 30-Fache seines Gewichts, sagt Katrin van Randenborgh, Sprecherin des Automobilklubs ADAC. "Da wird ein Hund zum Elefanten." Auch die Versuche der Forscher am AZT ergaben, dass Rex mit seinen ursprünglich 35 Kilogramm eine Aufprallkraft entwickelte, die dem Gewicht von 2,3 Tonnen entspricht - ein tödliches Geschoss für jeden, der sonst noch im Fahrzeug sitzt.

Das Tier richtig zu sichern, sei nicht nur für den Fall eines Unfalls unabdingbar, sagt van Randenborgh. Vierbeiner, die sich im Auto frei bewegen können, lenkten den Besitzer auch leicht ab. Wenn der Hund beispielsweise versuche, aus dem Fenster oder nach vorne zum Fahrer zu krabbeln, dann schaue man schnell nach hinten und habe den Verkehr nicht im Blick. DVR-Mann Bente sieht das ebenfalls kritisch: "Man ist eben nicht mehr in der Lage, richtig zu reagieren, wenn der Hund plötzlich auf dem Schoß sitzt."

Abgesehen davon sei es rechtlich vorgeschrieben, Lebewesen im Fahrzeug ausreichend zu sichern, sagt Bente. Laut Straßenverkehrsordnung gelten Tiere als Ladung. Die Paragrafen 22 und 23 legen eindeutig fest, dass diese Ladung so zu sichern ist, "dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin und her rollen oder herabfallen" kann. Zusätzlich darf "die Sicht und das Gehör" nicht durch Tiere "beeinträchtigt werden". Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann laut Bußgeldkatalog zwischen 35 und 75 Euro kosten und je nach Schwere sogar einen Punkt in Flensburg zur Folge haben.

Schwierigkeiten kann es auch mit der Kaskoversicherung geben, wenn ein Unfall darauf zurückzuführen ist, dass der Fahrer durch sein Haustier abgelenkt war oder das ungesicherte Tier selbst einen Schaden verursacht hat. Anders als die Haftpflichtversicherung, die in jedem Fall für die Schäden Dritter aufkommt, könne sich die Kaskoversicherung weigern, den Schaden am eigenen Fahrzeug zu übernehmen, sagt Allianz-Unfallforscherin Melanie Kreutner. "Das ist wie ein Farbtopf, der im Auto umfällt - daran ist der Autofahrer auch selbst schuld."

Unabhängig von den gesetzlichen Regelungen appellieren die Experten an die Eigenverantwortung der Autofahrer. "Es muss doch das Bestreben da sein, das zum eigenen Schutz und zum Schutz der Haustiere zu tun", sagt Bente. Viele Hundehalter wollten ihren Schützling im Auto nicht fesseln - dabei sei das nur zu seinem Besten. Dass Halter ihr Tier nicht im Kofferraum eines Kombis wegsperren wollten, sei meist eine "emotionale Geschichte", bestätigt auch ADAC-Sprecherin van Randenborgh. "Aber man tut dem Liebling keinen Gefallen, wenn er auf der Rückbank vermeintlich komfortabler sitzt."

Viel Auswahl, aber keine Standards

Sicherungslösungen für Haustiere gibt es auf dem Markt derweil zuhauf: Trenngitter und -netze, Sicherheitsdecken, Gurte, Käfige und Transportboxen in allen möglichen Größen, Ausgestaltungen und Preisklassen versprechen eine sichere und bequeme Fahrt für Mensch und Tier. Gar nicht so einfach, bei diesem Angebot den Überblick zu behalten. Der ADAC fordert deshalb "mehr Transparenz" bei den Tests dieser Systeme und eine "einheitliche Zertifizierung", an der sich die Verbraucher orientieren könnten.

Diese Forderung ist vor allem an den Spezialhandel gerichtet. Der bietet den Großteil der Sicherungssysteme an; die Autohersteller lehnen sich bei Sicherheitsvorkehrungen für mitreisende Tiere eher zurück. Zwar verkaufen Autobauer unterschiedliches Zubehör, das nach deren Angaben gemäß der gesetzlichen Norm geprüft wurde. Aber Forschungen, die sich speziell der Sicherheit von Tieren im Auto widmen? Das sei mehr die Aufgabe des Zubehörmarkts, heißt es bei Ford. Und Audi erklärt, man verfolge einen "gesamtheitlichen Ansatz" bei der Fahrzeugsicherheit. Die Sicherheitssysteme kämen am Ende ja "allen Fahrzeuginsassen zugute".

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Quelle:
SZ vom 06.04.2019
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