Süddeutsche Zeitung

Verkehr:Sieben Fehler von Autofahrern, die Stau verursachen

Kolonnenwechsel, gaffen und zu dicht auffahren: Es gibt Fahrweisen, die das Verkehrsaufkommen nicht nur verschlimmern - sie können den Stau auslösen.

Von Felix Reek

Jeder Autofahrer hasst ihn: den Stau. 723 000 davon gab es laut ADAC im vergangenen Jahr, 457 000 gemeldete Stunden kamen insgesamt auf deutschen Autobahnen zusammen. Das nervt nicht nur, es schadet der Wirtschaft. Die Verkehrsexperten der Beratungsfirma Inrix haben berechnet, dass die endlosen Autokolonnen die Volkswirtwschaft der Bundesrepublik jedes Jahr 80 Milliarden Euro kosten. Die häufigsten Ursachen sind: Unfälle, Baustellen und zu hohes Verkehrsaufkommen. Doch auch die Autofahrer selbst tragen mit falschem Verhalten dazu bei, dass sie nur zäh vorankommen. Diese sieben schlechten Angewohnheiten sollten alle Verkehrsteilnehmer in Zukunft lieber lassen.

Zu dicht auffahren

Eine alltägliche Situation auf der Autobahn oder der Landstraße: Es geht langsam voran, die ersten Verkehrsteilnehmer sind ungeduldig und fahren zu nah an den Vordermann heran, weil sie nicht wollen, dass sich jemand auf einer anderen Spur vor sie drängelt. An die Folgen denken sie nicht. Wird der Vordermann nun langsamer, bleibt nicht genug Zeit zu reagieren, der Autofahrer muss heftig bremsen. Das führt dazu, dass der nachfolgende Verkehr ebenfalls in die Eisen gehen muss. Eine Kettenreaktion, die sich fortsetzt. Die Stautheorie nennt das den "Schmetterlingseffekt". Jede Aktion führt zu einer Reaktion. Im schlimmsten Fall kommt irgendwann ein Auto zum Stehen. Und ein Stau beginnt.

Kolonnenwechseln

Das Grundproblem von Staus, die durch Menschen verursacht werden, ist, dass die wenigsten Autofahrer daran denken, was hinter ihnen passiert. Sie fokussieren sich allein auf ihr persönliches Vorankommen. Tief im Inneren glimmt die Hoffnung, doch zügiger voranzukommen als die anderen. Aus diesem Grund wirkt die Spur rechts oder links neben dem eigenen Fahrzeug immer schneller als die eigene. Also wechseln besonders ungeduldige Autofahrer im stockenden Verkehr immer hin und her, je nachdem, wo gerade mehr Bewegung auf der Straße ist. Einen Vorteil bietet das nicht. Stauforscher rechnen in zähfließendem Verkehr mit einem Zeitverlust von einer Minute pro Kilometer. Ein permanentes Wechseln der Spur kann das nicht einmal ansatzweise ausgleichen. Stattdessen zwingt diese Fahrweise wiederum andere zum plötzlichen Bremsen - wodurch erneut der Schmetterlingseffekt eintritt. Also sollten Autofahrer lieber auf ihrer Spur bleiben.

Plötzliche Überholvorgänge

Dieser Rat gilt auch für jähe Überholvorgänge. Wer viel auf Autobahnen unterwegs ist, kennt das: Ein Lastwagen hält den ganzen Verkehr auf der rechten Spur auf. Bis endlich der Erste hinter ihm ausschert - und mit Tempo 80 auf der Überholspur landet. Alle anderen Fahrzeuge dort sind mit 120 km/h unterwegs und müssen bremsen. Der Effekt setzt sich erneut fort, bis einer zum Stehen kommt. Deswegen gilt: immer vorausschauend fahren. Jedes Verbremsen oder unüberlegte Überholen beeinflusst den nachfolgenden Verkehr.

Ablenkung

Auch mangelnde Aufmerksamkeit führt zu Verzögerungen im Verkehr. Wer tagträumt, reagiert später, so dass nachfolgende Autofahrer nicht ausreichend Gelegenheit haben, ihre Fahrweise anzupassen. Besonders oft tritt dieses Problem bei Unfällen auf: Hier sorgen Gaffer nicht nur für einen stark verlangsamten Verkehr, sie gefährden auch noch sich und andere Autofahrer.

Falsches Reißverschlussverfahren

Ein besonders weit verbreiteter Fehler, der Staus unnötig verlängert, ist das falsche Einfädeln in den Verkehr, wenn eine Spur endet. Hier kommt bei Stau oder zähfließendem Verkehr das Reißverschlussverfahren zur Anwendung. Fahrzeuge, deren Bahn endet, beschleunigen bis zum Ende der Einfädelspur und ordnen sich dann in den Verkehr ein - immer abwechselnd ein neu auffahrendes Auto und eines, das sich bereits auf der Straße befindet. Besondere Vorsicht gilt aber bei der Auffahrt auf die Autobahn: Hier ist das Reißverschlussverfahren sinnvoll, aber der fließende Verkehr hat weiterhin Vorrang. Trotzdem führt das immer wieder zu Missverständnissen. Aus Panik, sich nicht in den fließenden Verkehr einordnen zu können, fahren viele Verkehrsteilnehmer zu früh auf oder beschleunigen zu langsam - um nur einige Fehler zu nennen. Die Autofahrer im Verkehr hingegen sehen in jedem Neuankömmling ein Fahrzeug, dass die eigene Wartezeit verlängert. Mehr Autos, mehr Stau, so die Logik. Anstatt Lücken zu lassen, tun sie genau das Gegenteil: Sie fahren so dicht wie möglich an den Vordermann heran, um niemand hereinzulassen. Die Wahrheit ist: Genau dieses unüberlegte Verhalten sorgt für noch mehr Stau.

Die Kreuzung blockieren

Im Stadtverkehr geht es oft noch hitziger zu. Hier scheint jeder Meter zu zählen. Trotz Staus fahren viele auf die Kreuzung, wenn die Ampel auf Grün springt, in der Hoffnung, dass sich die Autokolonne rechtzeitig bewegt - obwohl die Straßenverkehrsordnung hier eindeutig ist. Natürlich bewegt sich die Kolonne nicht, die Kreuzung ist nun komplett blockiert und der Querverkehr kann nicht abfließen. Ein noch schlimmerer Stau entsteht. Die einzige Maßnahme, die hier hilft: Stark bleiben, das Hupen der anderen aushalten und warten, auch wenn die Ampel wieder auf Rot springt. So kann ein Einzelner sogar einen Stau verhindern. Denn alle anderen hinter ihm müssen warten, bis die Kreuzung frei ist.

Fahren, wenn alle fahren

Der einleuchtendste Grund für einen Stau ist das Sättigungsproblem. Es sind zu viele Autos zur gleichen Zeit unterwegs. Die Forschung erklärt das so: Auf einer bestimmten Strecke steht nur ein begrenzter Raum zur Verfügung. Bei einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h sind das auf einer Strecke von einem Kilometer 1500 bis 2500 Fahrzeuge pro Spur. Wird diese Zahl überschritten, kommt es zum Stau. Besonders deutlich zeigt sich das zu den Hauptverkehrszeiten und zum Start und dem Ende der Schulferien. Dann ist die Nachfrage größer als das Angebot - es sind mehr Autos unterwegs, als die Straße verkraften kann. Wer hier im Stau steht, dem bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten. Selbst das Abfahren von der Staustraße schafft laut Statistik keine Verbesserung. Da hilft nur eines: Wenn der Job Gleitzeiten besitzt, diese in Anspruch nehmen. Und beim nächsten Urlaub einfach früher losfahren.

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