Süddeutsche Zeitung

Schifffahrt:Betonkrebs nagt am Hebewerk

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Das Schiffshebewerk in Scharnebeck bei Lüneburg muss für 80 Millionen Euro aufwendig saniert werden. Eine chemische Reaktion setzt dem einstmals größten Hebewerk der Welt zu.

Von Peer Körner/dpa

Probleme im Schiffshebewerk: Ein chemischer Prozess - bekannt als "Betonkrebs" - schädigt den Beton des für den Güterverkehr zwischen Hamburg und dem Hinterland wichtigen Schiffshebewerks in Scharnebeck bei Lüneburg. Das Bauwerk wird nun aufwendig saniert. Die notwendigen Arbeiten sollten voraussichtlich bis zum Jahr 2022 dauern und knapp 80 Millionen Euro kosten, sagt Arno Liebrecht, beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Uelzen zuständig für Bauprojekte. "Auch die ganze Maschinen- und Steuerungstechnik wird dabei auf den neuesten Stand gebracht."

Das erste Schiff passierte den östlich von Lüneburg gelegenen Riesenfahrstuhl für Schiffe im Dezember 1975, damals war das Schiffshebewerk das größte der Welt. Seitdem haben Kieselsteine in dem seinerzeit verwendeten Beton mit dem Zement reagiert und seine Festigkeit drastisch reduziert. Die Experten sprechen von einer Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR), Laien nennen das Ganze nur kurz: Betonkrebs.

"Die Kieselsäure der Gesteinskörnungen reagiert mit Wasser und führt zu einer Zunahme des Volumens", erklärt Liebrecht. "So kommt es zur Zerstörung des Gefüges, Risse bilden sich. Diese chemischen Prozesse sorgen dafür, dass sich der Vorgang immer weiter beschleunigt." Ernst werde es vor allem dann, wenn der im Inneren verwendete Stahl angegriffen werde. "Deshalb muss der marode Beton abgetragen und erneuert werden", sagt Liebrecht. "Das neue Spezialbetongemisch soll die Prozesse künftig wie eine neue Haut unterbinden."

Mit der mächtigen Anlage am Elbe-Seitenkanal überwinden Binnenschiffer einen Höhenunterschied von 38 Metern. Über die zwei gewaltigen Wassertröge mit jeweils 5800 Tonnen Gewicht passieren jährlich etwa 20 000 Schiffe das Hebewerk. 2018 wurden so etwa acht Millionen Tonnen Güter transportiert, mehr als 120 000 Container passierten Scharnebeck. "Während der Arbeiten muss der Betrieb natürlich weitergehen", so Liebrecht. "Derzeit wird der Westtrog instand gesetzt, der Osttrog übernimmt solange den Verkehr." Später läuft es andersrum.

Hebewerk und Kanal sind von zentraler Bedeutung für die Verbindung des Hafens in Hamburg mit den niedersächsischen Industriegebieten und dem westdeutschen Kanalsystem. Sie entlasten die Elbe, nicht nur bei niedrigen Wasserständen. Aber nicht nur Binnenschiffer sehen in Scharnebeck schon lange ein Nadelöhr. So hat ein ungewöhnliches Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Umweltverbänden Druck beim Bund für den Neubau einer großen Schleuse neben der alten Anlage gemacht. Das Projekt hat es auf die Liste der vordringlichen Projekte im Bundesverkehrswegeplan geschafft. Wenn alles klappt, könnte die neue Schleuse schon Anfang der 2030er-Jahre fertig sein, hoffen die Verantwortlichen.

"Mit einer modernen Schleuse würde das Transportvolumen erheblich ansteigen", sagt Michael Zeinert von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Lüneburg. "Der Kanal wäre für bis zu 135 Meter lange Schiffe befahrbar. Zurzeit ist bei 100 Metern Schluss." Außerdem würden Straßen und Schienen entlastet, betont der IHK-Vertreter.

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SZ vom 17.08.2019
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