Süddeutsche Zeitung

Neue Mercedes S-Klasse:Symbol für Zeiten des Übergangs

Lesezeit: 3 min

Mercedes hat mit viel Pomp die neue S-Klasse präsentiert. Ein Premium-Tanker mit Wellness-Anwendungen, der nach dem alten Autobauer-Dreisatz funktioniert: je mehr Luxus, desto teurer. Je teurer, desto mehr Gewinn. Noch stimmt das. Der Dinosaurier bringt das große Geld. Nur - wie lange noch?

Von Thomas Fromm

Die neue S-Klasse von Mercedes und die Mobilitäts-App Moovel haben nicht viel gemeinsam. Sie kommen beide aus dem Hause Daimler. Das war es aber auch schon.

Die neue S-Klasse wird gerade mit viel Pomp eingeführt. Seit den 70er Jahren wird das Flaggschiff der Stuttgarter gebaut, neuerdings auch mit Hot-Stone-Rückenmassage und Duftanlage. Ein Premium-Tanker mit Wellness-Anwendungen, der nach dem alten Autobauer-Dreisatz funktioniert: Je mehr Luxus, desto teurer. Je teurer, desto mehr Gewinn. Je erfolgreicher also die Limousine, desto erfolgreicher der Konzern. Die alte S-Klasse ist das wichtigste Auto im Konzern. Behauptet Daimler. Deswegen die große Party.

Als im vergangenen Jahr die Mobilitätsplattform Moovel vorgestellt wurde, gab es dagegen kein großes Gewese. Kein Champagner, und keine spektakuläre Party mit Vorständen und Promis. Und auch keine gigantischen Marketing-Aktionen. Moovel war ja auch nur ein kleines Pilotprojekt, mit dem sich Smartphone-Nutzer ihre günstigste Reiseroute von A nach B zusammenstellen lassen können. Ein Smartphone-Mix aus Autofahren, Bussen und Bahnen, Car-Sharing, Mitfahren und Laufen. Es geht um Reisen ohne Nackenmassage und Limousinen-Glamour, und das eignet sich kaum für große PR-Aktionen. Und doch hätte man die Smartphone-Mitfahrzentrale groß feiern müssen. Und nicht den hochmotorisierten Dinosaurier. Aber noch bringt der Dinosaurier das große Geld. Nur - wie lange noch?

Es geht um die Mobilität an sich

Moovel dagegen bringt kein großes Geld. Zumindest im Moment nicht. Dafür zeigt die App, wie Großstadt-Mobilität in Zukunft aussehen kann. Ein neues Geschäftsmodell, der Vorbote einer neuen Epoche, in der alles mit allem verknüpft wird. Private Autonutzung und öffentlicher Nahverkehr, Elektromotoren und Energiespeicher, Elektro-Fahrräder und die Energie-Infrastrukturen in den Städten. Eine Epoche, in der nicht mehr das Produkt im Vordergrund steht, sondern die Mobilität an sich.

Man könnte auch sagen: Nicht mehr das Auto ist die Botschaft, sondern die Fortbewegung. Das klingt erst einmal lapidar. Aber tatsächlich stellt es die alten Geschäftsmodelle der Autohersteller auf den Kopf. Nicht von heute auf morgen. Aber in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.

Hier S-Klasse, da Moovel - es sind die beiden Pole eines Autokonzerns im Jahre 2013. Einer Zeit, in der die Dinge anfangen, sich zu ändern, ohne dass die alte Welt der Mobilität schon untergegangen wäre. Deshalb feiert Daimler seine S-Klasse anders als Moovel. Denn gerade in Zeiten des Übergangs brauchen die Konzerne ihre Symbole. Die S-Klasse ist so ein Symbol. Noch gibt es viele reiche Kunden, die zugreifen - vor allem in arabischen Ländern, China und Russland. In Ländern, in denen der große eigene Wagen noch ein Status-Symbol ist. Für viele ist die Luxus-Limousine mit dem Stern noch immer eine Ikone, und sie ist gerade in dieser Phase des Übergangs identitätsstiftend in einer Branche, die aufpassen muss, von den Veränderungen nicht überrannt zu werden. Die Zukunft aber ist sie nicht.

Nur eine Frage der Zeit

Die Veränderungen kommen schleichend, und sie kommen vor allem über die Großstädte. Es geht um die Frage, wie Menschen auch in Zukunft in immer größer werdenden urbanen Zentren leben möchten. Wollen sie selbst die Hoheit über ihren Lebensmittelpunkt haben? Oder wollen sie eine von Autos geprägte Urbanität? Eine Stadtarchitektur, die vor allem den Gesetzesmäßigkeiten des Verkehrs gehorcht? Lange galten die verschachtelten Straßenlabyrinthe von Städten wie Los Angeles als Beispiel einer Auto-Gesellschaft. Inzwischen wissen wir, dass es weitaus schlimmer kommen kann: In Städten wie Peking, in denen Menschen wochenlang unter giftigen Nebelschwaden auf bessere Luft warten und ihre Wohnungen nicht verlassen, ist der Ernstfall längst eingetreten. Millionen von Menschen auf engem urbanem Raum, das kann nicht gleichzeitig bedeuten: Millionen von Autos.

Es gibt Manager, die fürchten in diesen Zeiten das Ende der Mobilität. Das ist Unsinn. Es geht nicht um die Frage, ob wir künftig mobil sein wollen oder nicht. Mobil sein wollen und müssen alle. Es geht vielmehr um die Frage, wie wir Mobilität künftig gestalten wollen. Die kleine Anwendung Moovel wird dabei eine kleine Rolle spielen, genauso wie unzählige Car-Sharing-Angebote, Mitfahrzentralen, kleine Elektroautos und öffentlichen Ladestationen. Auch die großen Dinosaurier werden wir noch jahrelang sehen. Nur: Gut möglich, dass sie im Laufe der Jahre immer exotischer werden.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2013
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