Süddeutsche Zeitung

Motorrad-Fahrbericht:Stark, agil und sogar günstig

Lesezeit: 3 min

Von Thilo Kozik

Klassische Roadster kann BMW, das hat die äußerst erfolgreiche R nineT bewiesen. Jetzt kommt mit der neuen R 1200 R das moderne Pendant, dem man die Dynamik auf den ersten Blick ansieht: Die geduckte Haltung mit der tiefen Front und dem aufragendem Heck verspricht wie die kantige Formensprache unverfälschten, sportlichen Fahrspaß.

Damit es damit was wird, haben die Münchner ihrem jüngsten Kind den flüssigkeitsgekühlten Boxermotor aus GS und RT eingepflanzt, der aus 1170 cm³ Hubraum 125 PS und ein druckvolles Drehmoment von 125 Newtonmeter erlöst. In der R macht der Vierventiler sogar noch einen Hauch mehr Druck im Drehzahlkeller und in der goldenen Mitte als bei den Geschwistermodellen. Nichtsdestotrotz begeistert das Triebwerk mit einem weichen, souveränen Lauf und einer erstaunlichen Elastizität: Fast mit Standgasdrehzahl tuckert der Boxer durch die Ortschaft, nur um danach in freier Wildbahn sehr fein am Gas hängend munter draufloszuschieben. Bis gut 6000 Touren hält der freudige Vortrieb an, erst danach lässt die Lust am Schub etwas nach.

Standardmäßig stehen in der R 1200 R die Stabilitätskontrolle ASC sowie die beiden Fahrmodi Rain und Road zur Verfügung, die die Gasannahme des Boxermotors und den Eingriff der Traktionskontrolle entsprechend feinsinnig regeln. Mit der Sonderausstattung Fahrmodi Pro (305 Euro) erweitert sich das technische Hilfsrepertoire dann noch um die schräglagengesteuerte Dynamische Traktionskontrolle DTC und um die weiteren Fahrmodi Dynamic und den konfigurierbaren Nutzer. Sie betonen noch stärker die eindeutig sportiven Talente des Boxermotors.

Der Roadster lässt sich weder durch Beschleunigen noch durch herzhaftes Bremsen beunruhigen

Parallel zum Antrieb hat sich auch beim Fahrwerk Erstaunliches getan: An der Front arbeitet nicht mehr der als Alleinstellungsmerkmal gefeierte BMW-Telelever, sondern eine herkömmliche Upside-down-Gabel. Diese ist über einen neuen prägnanten Stahlrohrrahmen mit der Paralever-Einarmschwinge am Heck verbunden. Mit einer perfekten 50:50-Verteilung der 231 Kilo zwischen vorn und hinten und moderaten Reifendimensionen begeistert der Roadster im Kurvengeschlängel mit einer frappierenden Leichtfüßigkeit. Von einer Boxer-BMW hat man derartiges noch nie gesehen. Mühelos biegt die 1200er in enge wie weite Radien, flutscht geradezu durch knackige Wechselkehren und gibt sich auch auf weniger makellosem Untergrund keine Blöße. Präzise lenkt der Roadster ein und bleibt unbeirrbar auf der angepeilten Linie, ganz gleich, welche Herausforderungen der Asphalt bereithält.

Das liegt an den neuen Fahrwerkskomponenten, den gut harmonierenden Metzeler-Pneus und der Sonderausstattung Dynamic ESA, die für 705 Euro nicht nur mit goldenen Standrohren glänzt: Das System passt die Dämpfung von Gabel wie Federbein automatisch dem Fahrbahnzustand und den individuellen Fahrmanövern an. Auf Knopfdruck kann zwischen den Charakteristiken Road und Dynamic gewählt und die Federvorspannung justiert werden.

Bei Road agiert die R 1200 R sehr sensibel auf Unebenheiten, gleitet unbeeinflusst von jedweden Einflüssen über den Asphalt und bietet einen ausgezeichneten Fahrkomfort, der auch passionierten Tourenfahrern gefallen dürfte. Zupft der Pilot dagegen beherzter am E-Gas, gehört die Dämpfung dynamisiert. In diesem Fall lässt sich der Boxer-Roadster weder durch heftiges Beschleunigen noch herzhaftes Bremsen aus der Ruhe bringen und hält sauber seine Spur.

Sehr effiziente ABS-Bremsen

Trotz der hohen Fahrdynamik bleibt die Sicherheit ein wesentliches Charakteristikum. Neben der Traktionskontrolle ist die kombiniert zupackende Dreischeibenanlage serienmäßig mit ABS bewehrt, das vorn wie hinten eher auf der sicheren Seite agiert und vergleichsweise früh eingreift. Sportfahrer wünschten sich eine Spur mehr Giftigkeit der Radialzangen, doch für einen Allrounder gehen die Stopper sehr effizient zu Werke.

Eine geänderte Kontur lässt die knapp 80 Zentimeter hohe Sitzbank niedrig wirken; beidbeiniger Stand ist damit garantiert. Fahrer mit mehr als 1,75 Meter Körpergröße können sogar den hohen Fahrersitz aus dem Zubehör ins Kalkül ziehen, der die Kniewinkel deutlich entlastet.

Für das, was die agile Basisvariante in Córdobablau bietet, sind die verlangten 12 800 Euro durchaus günstig zu nennen - je nach Technikausstattung kommen aber schnell zwei- bis dreitausend Euro obendrauf. Wer es optisch auffälliger mag, wählt die Edelversion Style 2 in Thundergreymetallic mit achatgraumetallic-farbenem Rahmen, Edelstahl-Tankblende und goldenen Bremssätteln für 290 Euro mehr oder er greift zur sportlichen Style-1-Version in Weiß mit zusätzlichem Motorspoiler, kleinem Windschild und rotem Rahmen. Das macht dann 350 Euro Aufpreis.

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Quelle:
SZ vom 24.01.2015
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