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Mikromobil CT1 im Test:Gokart gegen Goliath

Lesezeit: 4 min

Viele Städte ersticken im Stau. Doch kleine Stadtflitzer setzen sich nicht durch. City Transformer will das mit einem Mikro-Stromer ändern. Doch der scheitert schon an der Kaufprämie für Elektroautos .

Von Joachim Becker

Audi urban concept - war das nicht ein Zweisitzer im Zwergformat aus dem Jahr 2011? Die windschlüpfrige Raupe hat sich jüngst als kolossaler Zeppelin entpuppt: 5,5 Meter lang und 3,5 Tonnen schwer ist das Urbansphere Concept. Audi preist das Luxus-Trumm dennoch als visionäre Lösung für die Stadt.

Auch Smart hat die Idee des kleinen City-Flitzers abgeschrieben. 1972 hatte ein Team um Johann Tomforde bei Daimler-Benz begonnen, städtische Miniaturmobile zu entwerfen. Anfang der 90er-Jahre taten sie sich mit dem Swatch-Erfinder Nicolas Hayek unter dem Namen Smart zusammen. Viele, viele bunte Smarties sollten die Verkehrs- und Umweltprobleme verstopfter Großstädte lösen. Doch die Massen dachten gar nicht daran, sich in so eine Telefonzelle auf Rädern zu zwängen: Kein Platz, kein Prestige und der Preis war im Vergleich zum Komfort jenseits von Gut und Böse.

Die "neue Ära der Mikromobilität" - von Umweltverbänden immer wieder gefordert - kam nie richtig in die Gänge. Nach einem Vierteljahrhundert voller Verluste zog Daimler 2019 den Stecker: Bei einer Auflage von 100 000 Stück pro Jahr lohnt sich zwar eine S-Klasse, aber kein Parkplatzwunder mit Mikro-Marge. Jetzt haben BMW und Mercedes auch das entsprechende Carsharing-Projekt beerdigt. Der französische Autokonzern Stellantis soll Share Now übernehmen. Man wolle sich künftig auf digitale Dienstleistungen rund um das Laden konzentrieren, kündigte BMW-Chef Oliver Zipse an: "Hier sehen wir Potenzial für Wachstum." Mit anderen Worten: Das Geschäft mit dem Autoteilen lohnt sich nicht wirklich.

Während sich die deutschen Hersteller aus der Drei-Meter-Klasse verabschieden, will Johann Tomforde die Idee der Elektro-Knirpse nicht aufgeben. Auf die Frage, ob der kleine City Transformer der bessere Smart sei, antwortet er: "In gewisser Hinsicht ja. Der CT1 kombiniert alles, was ein individuelles Stadtfahrzeug heute braucht: Komfort, Sicherheit für den Fahrer, genügend Leistung für urbane Geschwindigkeiten, minimaler Platzbedarf und einen kleinen ökologischen Fußabdruck bei der Produktion." Tomforde, der heute als Strategieberater für das israelische Start-up tätig ist, fügt hinzu: "Wir haben mit dem Smart 1997 schon viel erreicht, mit dem City Transformer sind wir auf einem noch smarteren Weg."

Viele Vorschusslorbeeren also. Die erste Testfahrt mit dem 2,50 Meter kurzen Mikromobil in München dämpft die Euphorie aber empfindlich. Klar, ein klappriger Prototyp ist noch kein ausgefeiltes Serienprodukt. Aber die Sitzposition hintereinander in der hautengen Kabine ist definitiv nichts für Klaustrophobiker. Auch der Komfort ist Holzklasse, wer sich hinter dem Fahrer einfädeln muss, sollte mit Rücksicht auf seine Knie nicht älter als zehn Jahre sein. Einen Stau unter praller Sonne möchte man sich in der Glasglocke auch nicht unbedingt vorstellen. Genauso wenig wie den Zusammenprall mit einem größeren Fahrzeug, denn der Däumling hat kaum mehr Sicherheitsreserven als ein Einspurfahrzeug. Der CT1 mag ein kleiner Freund in der verkehrsberuhigten Fahrradstadt sein. Im aggressiven Großstadtgedränge, wo öfters mal das Recht des Stärkeren gilt, vermittelt er nicht gerade ein überlegenes Fahrgefühl.

Dafür geht der City Transformer mit 15 kW Leistung auch nicht überschwänglich genug zu Werke. Den Komfort eines Autos zusammen mit dem berauschenden Spurt- und Kurven-Gefühl eines Motorrads kann er nicht bieten. Dabei ist die Technik des CT1 durchaus raffiniert. Per Knopfdruck wächst die Spurbreite um 40 Zentimeter über das Grundmaß von einem Meter Breite hinaus. Mit ausgefahrenen Rädern fällt der automobile Windhund nicht so schnell um. Sich elegant in die Kurven legen wie der Toyota i-Road mit Neigetechnik (auch so eine Vision, die nie Realität wurde) kann der Eineinhalbsitzer aber nicht. Vor allem bleibt aber die Frage, ob das Aus- und Einfahren der Räder nicht nur in Tel Aviv, sondern auch im winterlichen München bei Schnee und Eis zuverlässig funktioniert.

Dabei sind die Vorzüge für das Verkehrssystem unbestreitbar: Der Elektro-Kabinenroller verbindet null lokale Emissionen mit einem niedrigen Geräuschpegel und dem Parkplatzbedarf eines größeren Zweirads. Mit solchen Mikromobilen ließe sich die Parkplatzsuche abkürzen, die etwa ein Drittel des Verkehrs in Großstädten ausmacht. Offen bleibt, wie man Kunden für den Umstieg in solche überdachten Elektro-Tandems mit Quad-Zulassung gewinnen kann. Renault feiert mit dem vergleichbaren Twizy äußerst bescheidene Erfolge. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nur 111 Exemplare verkauft, seit der Markteinführung vor einer Dekade waren es lediglich 5819 Mikro-Stromer. Das mag auch am Preis liegen, der sich auf mindestens 11 450 Euro in dieser Zeit fast verdoppelt hat.

Der israelische Kleinwagen mit dem Kindchen-Schema wird für Vorbesteller mindestens 12 500 Euro teuer, später soll er 16 000 Euro kosten. Mit solchen Preisen fliegt der CT1 zumindest in Deutschland genauso aus der Kurve wie der Twizy. Denn die staatliche Kaufprämie für Elektroautos gilt nur für reguläre Personenkraftwagen, nicht aber für Leichtfahrzeuge oder Quads. Sprich: Ein vollwertiges Elektroauto wie der Dacia Spring ist inklusive Förderung sogar billiger als die Schmalspurfahrzeuge. Selbst für den Flottenverbrauch, an dem die Hersteller in Europa gemessen werden, bringen die Modelle nichts: Ein großer Elektro-SUV gilt dem Gesetzgeber als genauso umweltfreundlich wie ein Elektro-Mini.

Das kann Asaf Formoza aufregen: "Nur weil es elektrisch fährt, wird ein riesiges SUV noch nicht zum vernünftigen Stadtauto", sagt der israelische Tüftler und Maschinenbauer. 2014 hat er City Transformer gegründet, und nun hat er einen Produktionspartner für den CT1 in Europa gefunden, den er noch nicht nennen will. "Am Ende geht es doch meistens darum, eine einzige Person über eine kurze Strecke in der Stadt zu transportieren", sagt der 48-jährige Dozent. Vernunft hat im Großstadtdschungel aber noch nie sonderlich viel ausgerichtet. "Wenn wir wirklich was bewegen wollen, müssen die Städte schon mitziehen", betont Formoza. Er träumt von eigenen Fahrstreifen und Parkzonen für Schmalspurfahrzeuge - genau wie die Smart-Gründer, die einst das Querparken mit dem Knubbel nicht durchsetzen konnten.

Gibt es ein Umdenken in den Kommunen? Paris will demnächst eine verkehrsberuhigte Zone in der Innenstadt einführen. Parken ist in der französischen Hauptstadt ohnehin ein extremes Geduldsspiel. Weil die wenigen freien Parkplätze meist klein sind, gehört das "Stoßstangenküssen" zum Alltag. Anders gesagt: Die Pariser zögern nicht, ihren Wagen mit Nachdruck in die "atmende" Parklücke zu quetschen. Auf einen konventionellen Pkw-Abstellplatz passen bis zu vier City Transformer. Spezielle Parkplätze oder schmale Fahrspuren für Leichtfahrzeuge sind im verkehrsberuhigten Paris jedoch nicht vorgesehen. Wie der Twizy wird also auch der CT1 bei der Parkplatzsuche gegenüber Zweirädern den Kürzeren ziehen. Und der Gesetzgeber gewährt ihnen keinerlei Vorrechte gegenüber konventionellen Autos. Der urbane Kehraus macht vor den Mikromobilen (zumindest in Europa) nicht halt.

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