Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Ein Ministeramt als Resterampe

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Die Verkehrspolitik wird viel zu stiefmüttlerlich behandelt. Das muss sich im Wahlkampf im kommenden Jahr ändern.

Von Marco Völklein

Man wundert sich schon, was sich da zu Beginn dieser Woche in Berlin abgespielt hat. Fast alle Fraktionen im Bundestag sind sich eigentlich einig, dass das Güterverkehrsnetz ausgebaut werden muss, allein schon, um die in Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Lediglich 200 bis 300 Millionen Euro wären nötig, damit längere Züge rollen könnten - was nicht nur mehr Waren auf die Schiene verlagern, sondern auch den Güterbahntransport insgesamt wirtschaftlicher machen dürfte. Nur zur Erinnerung: Es ist vor allem die Güterbahntochter DB Cargo, die mit ihren hohen Verlusten der Deutschen Bahn zuletzt die Bilanz vermiest hat.

Doch was passiert in Berlin? Statt endlich aktiv zu werden und die paar Hundert Millionen Euro für den Netzausbau locker zu machen, benötigt das Bundesverkehrsministerium noch mehr Zeit, um die Ausbaupläne detailliert zu bewerten. Bis ins nächste Jahr hinein wollen die Beamten und die von ihnen beauftragten Gutachter prüfen - und das, obwohl bereits seit drei Jahren Vorschläge auf dem Tisch liegen. Nein, so wird das nichts mit der Verkehrswende. Läuft es so weiter wie bisher, findet keine Verlagerung der Warenströme auf die Schiene statt; stattdessen werden die Lkw-Schlangen auf den Autobahnen länger und länger.

Es wird Zeit, dass solche Fragen nicht mehr nur in Expertenkreisen und Fachausschüssen diskutiert - und dann doch wieder auf die lange Bank geschoben werden. Im kommenden Herbst ist Bundestagswahl. Ein zentrales Thema des Wahlkampfs sollte die Verkehrspolitik werden. Wie wollen wir uns in Zukunft fortbewegen, wie unsere Wirtschaft in Schwung halten, ohne gnadenlos die Umwelt zu zerstören? Und wie lässt sich Verkehr vermeiden? Auf all diese Fragen müssen die Parteien Antworten liefern. Bislang aber ist Verkehrspolitik das Stiefkind im Berliner Betrieb. So verkam das Amt des Bundesverkehrsministers zuletzt zu einer Art Resterampe: Wer noch versorgt werden musste, der bekam den Posten. Stattdessen sollte gelten: Wer die besten Ideen hat, der wird Minister.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2016
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