Süddeutsche Zeitung

Hommage ans Zwischengas:Musik in den Ohren der Käferfahrer

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Papa und Opa haben zwischen den Gangwechseln noch kräftig Gas gegeben. Das Zwischengas machte zügiges Autofahren zur anstrengenden Angelegenheit. Doch wenigstens hatte der Mensch noch Oberhand über die Technik. Eine augenzwinkernde Reminiszenz an eine Zeit ohne Synchronisationsringe im Getriebe.

Von Karl Forster

Welch ein Wort! Zwischengas. Erinnert an die Faszination des Okkulten der Zwischenwelten. An den fatalen Zwischenfall. An den Fuchsbandwurm als Zwischenwirt. An die gefälschte Zwischenbilanz mit ebensolchem Zwischenergebnis. An die ungeliebte Zwischenfrage zum Zwischengericht. Und ist doch nicht mehr als der kurze Moment zwischen höherem und niedrigerem, meist dem zweiten und ersten Gang.

Eine Blitzumfrage am Konferenztisch ergab: Die Jüngeren scheiterten mit einer Erklärung des Zwischengases. Vernestelten sich in Aggregatszuständen. Waren verloren in der Gegenwart, die kein Zwischengas mehr zu kennen scheint. Weil heute die computergesteuerte Siebengangautomatikschaltung wahlweise mit Wipphebel regiert. Und nicht mehr jenes Feingefühl in den Füßen, die Kupplung und Gas so zu bedienen wussten, dass es nicht knirschte.

Nicht schlechter, sondern anders

Jenen sei erklärt, wie und warum Zwischengas funktionierte. Früher, also damals, als alles besser war, war die Gangschaltung nicht besser, sondern schlechter, oder zumindest anders als heute. So zum Beispiel beim guten alten Käfer (vor der 1302-Serie). Wer vom zweiten in den ersten Gang zurückschalten musste (möglicherweise auf dem Pass rauf zum Walchensee) konnte dies nur, in dem er auskuppelte, den Leergang einlegte, einkuppelte, kurz sehr dosiert Gas gab, die Kupplung trat, den ersten Gang einlegte und wieder einkuppelte.

Krachte es dabei, war die Dosierung falsch. Damals gab es keine Synchronisationsringe, also eine technische Einrichtung, die das Getriebe beim Zurückschalten auf die dann nötige höhere Umdrehungszahl brachte. Das machte das Zwischengas. Vom Vierten auf den Dritten war das meistens aber schon technisch organisiert. Wer allerdings, etwa auf dem Irschenberg, nicht durch den Motorbremseffekt Geschwindigkeit verlieren wollte, gab auch in diesem Falle Zwischengas und erlangte den Gipfel beim Rasthaus dann doch mit knapp 100 Stundenkilometern. Klar, dass wer zwischen Traunstein und Teisendorf auf der damals noch nicht ausgebauten Straßen unter 4.30 Minuten bleiben wollte, jedes Zurückschalten mit Zwischengas absolvierte.

Als der Mensch noch über die Technik herrschte

So betrachtet, war die Zwischengaszeit eine, in der der Mensch noch über die Technik herrschte. In der er wusste, wie man einen Zündzeitpunkt so einstellte, dass die Temponadel des Käfers den Irschenberg abwärts auf VDO zeigte: schneller als erlaubt. In der nicht nur die Handschlaufe über der Stuhllehne im Glücksfalle zur Fußschlaufe wurde, sondern auch sich mit zwei Zwölferschlüsseln eines der beiden Auspuffrohre abschrauben ließ zur Erzeugung eines Ferrari-ähnlichen Sounds beim Zurückschalten mit Zwischengas in Münchens Paul-Heyse-Unterführung. Heute macht das der Fahrer eines Penisersatzgerätes in Metallic mit dem elektronischen Soundregler.

Es war zur Zwischengaszeit, als die Rolling Stones die "Route 66" besangen, als München sich erstmals (und mit Erfolg) für die Olympischen Spiele bewarb und Joseph Keilberth am Pult des Münchner Nationaltheaters beim "Tristan" tot zusammenbrach. Welch ein Leben! Welch ein Ende. Die Jungen am Konferenztisch kennen auch den Namen Keilberth nicht mehr. Es könnte sein, dass ihnen etwas fehlt, ohne dass sie es merken.

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SZ vom 21.08.2013
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