Süddeutsche Zeitung

Gerüche im Auto:Schnupperkurs

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Jahrelang mussten Autofahrernasen Geruchsbelästigungen durch Abgase oder Wunderbäume ertragen. Mittlerweile haben die Hersteller dezente Düfte für den Innenraum als Wohlfühlfaktor entdeckt. In manchen Autos wähnt man sich nun mitten im Wald.

Von Stefan Grundhoff

Ein neues Auto riecht einfach einzigartig. Geht die Tür des Wagens auf, strömt einem dieser unvergleichliche Duft entgegen. Besonders edel wirkt der Geruch, wenn der jüngst erworbene Traumwagen eine hochwertige Lederausstattung mitbringt. Frisch verlegte Teppiche, auf Hochglanz polierte Verkleidungen und Holzoberflächen - das alles sorgt für den so speziellen Geruch.

Viele Zubehörfirmen bieten den Neuwagenduft mittlerweile in Flaschenform zum Nachsprühen an. Doch er ist nie wieder derselbe wie beim Erstkauf eines Autos und verfliegt schnell.

Schlimmer macht es noch der Wunderbaum, der mit nicht enden wollender Dauerhaftigkeit die Innenspiegel zumeist heruntergekommener Vehikel schmückt und die Insassen mit wenig betörenden Düften wie Vanille, grüner Apfel oder Sportfrische zu betören versucht. Der Wunderbaum in Form einer abstrakten Tanne kam in den 60er Jahren aus den USA nach Europa und wurde zu einem festen Bestandteil der zunehmend selbstbewusster werdenden Gebrauchtwagenwelt.

Der Wunderbaum polarisiert

Im Laufe der Jahre wurden die in Plastik eingeschweißten Wunderbäume von Lufterfrischern verdrängt, die in die Lüftungsgitter eingeclipst werden. Je stärker die Lüftung bläst, umso mehr geben die Erfrischer ihre Düfte an Innenraum und Insassen ab. Und sowohl für Wunderbaum als auch andere Parfümspender gilt: Man liebt sie oder man hasst sie. Die Gegner der automobilen Duftattacke öffnen beim Wunsch nach frischer Luft einfach Seitenfenster oder Schiebedach.

Der rechte Duft im Auto ist nicht einfach zu finden. Citroen und Peugeot machten auf dem europäischen Markt vor rund zehn Jahren den Anfang und brachten erste Modelle mit austauschbaren Duftsticks auf den Markt. Die Intensität der weitgehend unsichtbar im Armaturenbrett untergebrachten Duftpatronen ließ sich mechanisch einstellen. Aktuell verfügen Modelle wie der Peugeot 308 und das Citroen DS3 Cabrio über die integrierten Parfümspender.

Subtile Düfte auf dem Vormarsch

Die Akzeptanz ist in Deutschland eher mäßig, Nachahmer suchte man lange vergeblich. Doch mit den wachsenden Märkten in Asien kommt den Gerüchen im Auto eine neue Bedeutung zu. Hier setzt die noch junge Mercedes S-Klasse als Aushängeschild der Luxusliga neue Maßstäbe. Wer in den Ledersesseln erst einmal Platz genommen hat, genießt einen dezenten Duft, der unsichtbar aus den zahllosen Lüftungsdüsen abgegeben wird.

"Man kann zwischen vier Düften wählen", erläutert Mercedes-Trendforscherin Sabine Engelhart, "aber wer will, kann natürlich auch seine eigenen Düfte einfüllen." Die im Handschuhfach installierte Patrone reiche für 700 bis 900 Stunden. "Alle fünf Minuten wird die Luft, die verströmt wird, parfümiert", so Engelhart. Das Duftspektrum reicht von "Freeside Mood" mit Zitruselementen bis zum leicht süßlich-holzigen "Nightlife Mood". Zudem wird die Luft in Verbindung mit dem Air-Balance-Paket ionisiert.

Größere Nachfrage in China

Andreas Wehrmeier ist bei BMW unter anderem für Werkstoffe und Gerüche zuständig. "Eine Nachfrage zu Düften im Fahrzeug gibt es insbesondere in China. Dort, wo die Luftverschmutzung und die natürlichen Gerüche von außen übertüncht werden sollen", sagt er. Wie andere Hersteller mit entsprechender Bedeutung auf dem chinesischen Markt arbeite BMW ebenso wie Audi oder Volkswagen daran, dezente Wohlfühlgerüche nach Vorbild von Mercedes und Citroen ins Auto zu bringen.

Doch bevor es um die angenehmen Düfte geht, heißt es, unangenehme Gerüche aus dem Inneren des Fahrzeugs zu verbannen. "Die deutschen OEMs fahren hier eine einheitliche Linie", erklärt Dr. Andreas Wehrmeier, "wir testen alle nach den gleichen Methoden. Hierbei wird der Innenraum des Autos auf 65 Grad Celsius erhitzt, denn bei hohen Temperaturen werden die meisten Schadstoffe ausgestoßen. Etwaige Quellen werden abgestellt, denn an sich soll es bei uns im Autoinnenraum nach gar nichts riechen."

Infiniti mit "Forest-Air-Funktion"

Tests der asiatischen Autohersteller laufen im Gegensatz dazu bei einer Innentemperatur von 23 Grad ab, um den Realbetrieb für die Insassen bestmöglich darstellen zu können. In den 80er und 90er Jahren hatte das immer wieder für Diskussionen gesorgt, weil einige asiatische Autoinnenräume bei hohen Temperaturen unangenehm rochen.

Besonders die Fahrzeuge der internationalen Premiumliga wollen die luxuriösen Ausstattungen von vollklimatisierten Ledersitzen, Massagefunktionen und animierten Bildschirmen zukünftig mit einem sanften Duft unterstreichen, der eine angenehme Atmosphäre verbreitet. Neben der Mercedes S-Klasse ist der Nasenurlaub auf Knopfdruck bereits bei Infiniti, dem in Europa recht erfolglosen Luxus-Ableger von Renault-Nissan, zu bekommen. Im Infiniti M35h zum Beispiel lässt sich über einen Taster im Cockpit die so genannte "Forest-Air-Funktion" ansteuern. Nach kurzer Zeit wird die Luftzirkulation des Edel-Japaners mit Kiefernwaldaromen verfeinert. Neben einer automatischen Umluft, einem Brisen-Modus, Plasmacluster-Luftreiniger und Polyphenolfilter werden hier ätherische Öle hinzugefügt. Allerdings nicht in Duftbaum-Quantität, sondern eher zurückhaltend.

Der Geruch in Autos wird zukünftig an Bedeutung gewinnen, so viel steht fest. In den nächsten Jahren wird es während der Fahrt also einiges zu schnuppern geben. Ob es einem gefällt oder nicht.

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