Süddeutsche Zeitung

Genfer Autosalon 2011:Die letzten Reserven

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Auf dem Autosalon in Genf wird technisch die weitere Reduzierung der Emissionen im Mittelpunkt stehen - obwohl viele Möglichkeiten beinahe ausgereizt sind.

Joachim Becker

Bescheidenheit war auf dem Genfer Automobilsalon noch nie eine große Tugend. Da passen ein Rolls-Royce Phantom Experimentalfahrzeug mit Elektroantrieb oder ein Porsche Sparmodell für gut 100.000 Euro bestens ins Bild: Die Kombination eines 333 PS starken V6-Kompressormotors mit einer 47 PS starken Elektromaschine senkt den Durst des Panamera S Hybrid - zumindest auf dem Prüfstand - auf insgesamt 6,8 l/100 km.

Mit 159 g/km CO2 liegt der "sparsamste Porsche aller Zeiten" (Werbetext) damit fast im bundesdeutschen Durchschnitt. Nicht weniger wichtig ist, dass die Stuttgarter Sportwagenmarke erstmals die Hürde der neuen US-Abgasvorschriften unterbietet.

Bis 2016 sollen alle Autohersteller ihren Flottenverbrauch in Amerika auf knapp sieben Liter je 100 Kilometer drücken. Folgerichtig werden alle Porsche-Baureihen von 2015 an über einen Hybriden verfügen, kündigt Porsche-Chef Matthias Müller an.

"Die deutschen Automobilhersteller kommen mit der CO2-Minderung schneller voran als ihre Wettbewerber", betont Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).

In den vergangenen vier Jahren hätten sie die CO2-Emissionen ihrer in Deutschland neu zugelassenen Pkw um 13 Prozent verringert - von 175,2 g/km im Jahr 2006 auf 152,4 g/km CO2 im Jahr 2010. Und das trotz eines höheren Anteils an größeren Fahrzeugen.

Tatsächlich liegen dicke Brummer im Trend, der Absatzboom in China und USA verschiebt die Nachfrage in Richtung XXL. Während vor wenigen Monaten Kleinwagen mit Mini-Spritverbrauch heiß begehrt waren, darf es jetzt wieder eine Nummer größer sein. Gefragt sind vor allem SUV und Crossovermodelle, aber auch Business-Limousinen mit teuren Sonderausstattungen.

Nach der Schleuderwende kurz vor dem Abgrund ächzt die Branche nicht mehr unter Überkapazitäten, sondern unter kaum stillbarer Nachfrage. Die Lieferzeiten klettern, deutsche Autokäufer warten im Schnitt 13 Wochen auf ihren Neuwagen.

Dennoch: Auch Luxusprobleme können Sorgen bereiten, denn die Klimabilanz der deutschen Hersteller ist noch immer alles andere als rosig. Bis allerspätestens 2015 muss der CO2-Flottenwert auf 130 g/km schrumpfen, sonst hagelt es Bußgelder aus Brüssel.

Das klingt nicht weiter dramatisch: Man müsste einfach den Sparerfolg der letzten vier Jahre in den kommenden vier konsequent fortsetzen. Doch so einfach ist das nicht.

Viele technische Lösungen rund um den Antriebsstrang sind nahezu ausgereizt, auch Start-Stopp-Systeme gehören bei vielen Modellen mit Handschalter bereits zum guten Ton, als nächstes stehen auch leistungsstarke Automatikautos an der Ampel still.

Einzelne Hybridmodelle werden darüber hinaus wenig helfen, weil der Doppelantrieb meist nach Übersee verkauft wird. Während dort die Achtzylinder aus Prestigegründen unverzichtbar bleiben, wird die Zylinderzahl in Europa weiter schrumpfen.

BMW verzichtet gerade auf den markentypischen kleinen Sechszylinder-Benziner. Mit 180 kW (245 PS) macht der neue Vierzylinder-Turbo im BMW X1 28i sechs Töpfe überflüssig. Dabei hat der Turbo 40 Nm mehr Drehmoment bei 16 Prozent weniger Spritverbrauch als der größere Saugmotor.

Durch geschicktes Anblasen aus zwei Luftkanälen (Twin Scroll) steht das maximale Drehmoment von 350 Nm bereits knapp über Leerlaufdrehzahl zur Verfügung. BMW wird auch die kleineren Benziner bald per Turbo aufblasen - wie es Audi und VW erfolgreich vorgemacht haben.

Motorleistung, Fahrspaß und Fahrzeuggröße nicht verringern und trotzdem den Verbrauch senken - das ist der Kniff im Zukunftsquiz. Mazda will daher dieses Jahr sein komplettes Antriebsprogramm erneuern.

Aufhorchen lässt neben dem Euro-6-Diesel ohne DeNox-Abgasbehandlung auch der neue Benzindirekteinspritzer. Mit 14:1 erreichen die Japaner das weltweit höchste Verdichtungsverhältnis, das der Ottomotor eines Großserienfahrzeugs verträgt. Ein neu geformter Hohlkolben soll verhindern, dass sich der Super-Kraftstoff unter so hohem Druck selbst entzündet.

Auch ohne Unterstützung durch einen Elektromotor soll der sogenannte Skyactiv-Motor auf Verbrauchswerte kommen, die bislang Fahrzeugen mit Hybridantrieb vorbehalten schienen. Zudem soll 15 Prozent mehr Drehmoment die Fahrbarkeit im Alltag verbessern.

Ähnliche Wunderdinge hat man vor einem Jahrzehnt auch von den Benzindirekteinspritzern mit Magerverbrennung gehört. Um die "Revolution des Ottomotors" ist es jedoch auffallend still geworden. Außer Mercedes bringt kein Hersteller neue Ottomodelle mit Luftüberschuss im Zylinder auf den Markt.

BMW stellt als einer der Mager-Pioniere wieder auf stöchiometrische Verbrennung um. Die Gründe dafür sind simpel: Zylinder-Downsizing in Verbindung mit einem gut gemachten Abgasturbolader bringt ähnliche Effizienzfortschritte (s.o.). Dabei benötigen die Magermotoren eine aufwendige DeNox-Abgasbehandlung wie beim Euro-6-Diesel.

Für Volumenmodelle sind die zusätzlichen Katalysatoren mit ihrer hohen Edelmetallbeladung aber schlicht zu teuer. Außerdem brauchen Magermotoren schwefelfreien Sprit, der nur in Mitteleuropa an jeder Tankstelle verfügbar ist - das bedeutet Doppelentwicklungen für Europa und die USA.

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Quelle:
SZ vom 28.02.2011
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