Süddeutsche Zeitung

Fahrradtrends:Ohne Strom geht bei Fahrrädern nichts mehr

Auf den Messen zeigte sich auch in diesem Jahr: Radfahren wird immer elektrischer. Selbst Kinder sitzen jetzt auf Pedelecs. Die Fahrradtrends der nächsten Saison.

Von Felix Reek

Was die Autoindustrie seit Jahren verspricht, hat die Fahrradbranche längst geschafft: den Übertritt in die Elektromobilität. Von E-Motoren unterstützte Pedelecs und E-Bikes sind der größte Wachstumsmarkt der Branche. Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) sind mittlerweile drei Millionen von ihnen auf deutschen Straßen unterwegs, für 2017 werden zweistellige Wachstumszahlen prognostiziert. Entsprechend reichhaltig und abwechslungsreich ist das Angebot an elektrifizierten Velos, wie die diesjährigen Messen zeigten.

E-Bikes und Pedelecs

Egal ob Mountainbike, City-Rad oder Crossbike: Alles muss elektrisch sein. Bisher gab es bei E-Bikes und Pedelecs aber meist einen Wermutstropfen: Bis auf wenige Ausnahmen wirkte der Akku wie nachträglich an den Rahmen geklatscht. Das soll sich mit einer neuen Generation von Batterien ändern. Bosch hat mit der Powertube einen flachen zylinderförmigen Akku auf den Markt gebracht. Der lässt sich leichter in das Design des Rades integrieren, wie hier am Beispiel des Sinus iX11 Urban Pedelecs von Winora zu sehen.

E-Motoren für Rennräder

Die flachen Akkus kommen auch Rennradlern zugute. Die verschlossen sich bisher weitestgehend dem Elektrotrend. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein Pedelec-Motor ist für die sportlichen Fahrer einfach zu langsam. Er beschleunigt nur bis 25 km/h - viele Freizeitsportler sind auf ihrem Rennrad schneller. Ein E-Bike (bis 45 km/h) wiederum benötigt Kennzeichen, Licht, Nummernschild und Reflektoren. Das führt zusammen mit Motor und Batterie zu vielen zusätzlichen Kilos am Rad - fatal bei einer Bike-Gattung, wo jedes Gramm zählt und deren Spitzenprodukte weniger als sechs Kilogramm wiegen. Das will Focus mit seiner Studie Project X ändern. Im Unterrohr des Rennrades befindet sich ein besonders leichter Akku, der den 250-Watt-Mittelmotor versorgt. Der unterstützt den Fahrer bei Bedarf bis Tempo 25 und schaltet sich danach ab, sodass sich das Rad ganz normal fahren lässt, ohne gegen den Widerstand des Motors anzutreten. Die elektrische Unterstützung hilft so vor allem beim Anfahren und bei Anstiegen. Mit zwölf Kilogramm ist das Project X zwar schwerer als ein herkömmliches Rennrad, aber wesentlich leichter als die meisten Pedelecs.

Pedelecs für Kinder

Wenn die Eltern elektrisch unterstützt davonziehen, müssen die Kinder natürlich irgendwie hinterherkommen. Also nehmen immer mehr Hersteller Pedelecs für Kinder ins Programm. Sowohl das Sduro Haibike als auch das Macina Mini Me 24 von KTM (im Bild) werden elektrisch unterstützt, allerdings nur bis maximal 20 km/h. Ob sich viele Eltern zu deren Kauf bewegen lassen, ist bei einem Preis von 2000 Euro fraglich.

Lastenräder

Für Großstädter gehören Lastenräder oder auch Cargo Bikes mittlerweile zum alltäglichen Straßenbild. Das liegt vor allem an der veränderten Situation von Familien in urbanen Gebieten. Wer im Stadtgebiet wohnt, kommt mit dem Auto kaum voran. Also investiert man sein Geld lieber in ein Fahrrad mit Stauraum. Die Auswahl wird immer vielfältiger, vom Anhänger für konventionelle Räder bis hin zum Fahrrad, das mehrere Kinder und den Wochenendeinkauf befördern kann. Einen guten Kompromiss bietet das Tern GSD (im Bild), das durch einen Elektromotor unterstützt wird und sich so zusammenfalten lässt, dass es auch in ein Auto passt. Auf dem Gepäckträger lassen sich wahlweise Taschen oder auch Kindersitze anbringen. Es ist kürzer als ein Hollandrad und soll bis zu 180 Kilogramm transportieren können.

Das Rad in der Wohnung abstellen

Doch in der Stadt gibt es geschützte Abstellplätze für das Fahrrad nur in begrenzter Anzahl. Die Keller der Mietshäuser quellen über und auf der Straße will man sein teures Bike auch nicht stehen lassen. Viele parken ihr Rad dann einfach in der Wohnung - und bringen dadurch den auf den Straßen gesammelten Schmutz mit ins Innere. Der lettische Hersteller Velosock hat genau dafür eine Lösung gefunden. Die ab knapp 50 Euro erhältliche Hülle aus Polyester und Spandex umspannt den größten Teil des Fahrrads und sammelt so im Inneren den Schmutz.

Das Fahrradkarussell

Eine Abstelllösung, die wohl eher für Firmen und Kommunen geeignet ist, zeigte WSM auf der Eurobike. In ihrem Fahrradkarussell lassen sich bis zu 16 Bikes platzieren. Das Vorderrad wird in einen Halter eingehängt, der Tragearm zieht das Rad automatisch nach oben. Durch das horizontale Abstellen werden bis zu 40 Prozent Platz gespart.

Neue Sicherheitsmaßnahmen

Wer sein Rad auf der Straße abstellen muss, kann nur auf wenige wirksame Methoden zurückgreifen, das Velo vor Diebstahl zu schützen. Abus hat jetzt ein Schloss vorgestellt, das beim Versuch eines Diebstahls einen Warnton von sich gibt, ähnlich wie bei einer Autoalarmanlage. Das Bordo Alarm 6000 wird bis zu 100 Dezibel laut. Das entspricht dem Krach eines Presslufthammers und sollte nicht nur den Dieb abschrecken, sondern auch den Fahrradbesitzer aufrütteln. Und bei den Passanten genervte Blicke hervorrufen. Lesen Sie in dieser Übersicht, was wirklich gegen Fahrradklau hilft.

Fahrradleasing

Früher war es der Audi-Kombi, heute ist es das Dienst-Bike: Seit Firmen-Fahrräder vom Finanzamt genauso behandelt werden wie Autos, sind Diensträder immer weiter verbreitet. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft schätzt, dass mittlerweile 200 000 Bikes im Leasing-Betrieb auf Unternehmenskosten unterwegs sind. Auffällig ist, dass sich darunter besonders viele Pedelecs und Räder befinden, die die 2000-Euro-Marke deutlich übersteigen.

Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit wird auch in der Fahrradindustrie zu einem immer größeren Thema. Schwalbe will in der kommenden Saison erstmals Reifen aus recyceltem Gummi sowie von nachhaltig bewirtschafteten Plantagen anbieten. Auch setzen immer mehr Hersteller Bambus für den Rahmenbau ein.

Nachhaltigkeit

Der wächst besonders schnell und ist so stabil und bruchsicher wie kaum ein anderes natürliches Material. Das Kieler Unternehmen my Boo zeigte nun das erste Bambusrad mit Elektromotor. Weitere alternative Materialien des MyVolta (ab 4000 Euro) sind unter anderem Pedale aus Holz oder aus Birkenrinde gefertigte Lenkergriffe.

Zubehör

Dank neuen Zubehörs soll Radfahren immer alltagstauglicher werden. Ortlieb zum Beispiel stellte eine Tasche speziell für Laptops vor, die am Gepäckträger eingehängt wird. Der Moab Rain Suit von Vaude soll vor Regen und Schlamm schützen und gleichzeitig atmungsaktiv sein. Die beste Idee für den kommenden Winter dürfte aber der E-Glove 2 von Racer SAS (im Bild) sein. Der Fahrradhandschuh ist nämlich beheizbar.

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