Süddeutsche Zeitung

Entgleisung:Schweizer Schmierendrama

Deutsche Lokomotiven beschädigen angeblich die Gotthard-Strecke

Thomas Kirchner

Die Schweizer Bundesbahnen (SBB) glauben die Ursache zweier rätselhafter Unfälle auf der Gotthard-Linie im Kanton Tessin gefunden zu haben. Im Februar war an ein und derselben Weiche bei Pianotondo zweimal Züge entgleist. Weil sie langsam fuhren, gab es keine Verletzten, dafür aber stundenlange Verspätungen.

Die Fachzeitschrift Schweizer Eisenbahn-Revue hat nun laut einem Bericht des Zürcher Tages-Anzeigers eine Hypothese aufgestellt, die von den SBB bestätigt wird: Die Züge entgleisten auch deshalb, weil die Schienen nicht ausreichend geschmiert waren. Das wiederum hängt damit zusammen, dass auf der Strecke seit einigen Jahren zahlreiche ausländische, vor allem deutsche, Lokomotiven verkehren, die deutlich weniger Schmiermittel an die Gleise abgeben als die Schweizer Pendants.

Die Unfallstelle liegt in einer S-Kurve. Wegen der langsamen Fahrt ist die Fliehkraft gering, die Räder werden nicht an die Schiene gedrückt. Beschleunigt die Lok, kann es zum "Aufklettern" kommen: Die Räder arbeiten sich an der Innenseite der Schiene nach oben und entgleisen.

Verhindern lässt sich dies durch das Schmiermittel, das Schweizer Lokomotiven alle 500 Meter auf ihre Räder geben. Von dort gelangt es auf Schienen und Weichen, senkt die Reibung und verhindert so das Aufklettern. Laut Tages-Anzeiger ist jede vierte Lok am Gotthard eine Lok der Deutschen Bahn, aus der Baureihe 185. Die DB schmiert angeblich zehnmal weniger als die Schweizer Kollegen, weil die deutschen Strecken weniger bergig sind.

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Quelle:
SZ vom 16.4.2008/gf
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