Süddeutsche Zeitung

BMW 220d Cabrio im Test:Den Himmel sehen, die Umgebung riechen

Lesezeit: 3 min

Gewiss nicht billig, aber wandlungsfähig: Mit dem BMW Zweier Cabrio ist die Urlaubsfahrt in den Süden ein Genuss.

Von Jörg Reichle

Zugegeben, Cabrios stehen nicht sonderlich hoch im Kurs in Deutschland. Die Zulassungszahlen sagen das, Tendenz fallend. Ich liebe Cabrios trotzdem. Einmal, weil ich den Himmel sehen kann, wenn ich fahre, nicht so wie in den Verlöteten, wie ein österreichischer Kollege über alle Nicht-Cabrios höhnt. Zum anderen, weil ich darin frisches Gras riechen kann, oder Heu, oder den Wald. Und weil ich mit einem offenen Auto wirklich niemals aggressiv fahre, egal wie dicht der Verkehr gerade ist. Und weil es mir sowieso nicht wichtig ist, möglichst schnell am Ziel zu sein.

Daraus folgt für mich, erstens: Ein Cabrio muss ein Stoffdach haben, sonst sieht es nicht wie ein Cabrio aus. Zweitens: Ein Cabrio braucht keinen Übermotor mit ich weiß nicht wie vielen PS. Ordentlich Drehmoment, ja, das schon, zum flotten Überholen. Aber Höchstgeschwindigkeit? Ziemlich bedeutungslos. Und drittens: Ein Cabrio ist ein Auto für zwei. Es darf zwar ruhig vier Sitze haben, aber hinten will sowieso nur jemand sitzen, wenn das Dach geschlossen ist; offen zieht's wie Hechtsuppe. Also lege ich gern das kleine Gepäck auf den Plätzen hinter mir ab.

Mehr Komfort und Bewegungsfreiheit

Hinzu kommt, dass man in manche Gegenden eigentlich nur mit einem Cabrio fahren kann. Südfrankreich zum Beispiel. Das Licht dort, ein Traum. Und dieser Lavendelduft! Die Straßen sind fast überall eng, also ist ein Auto mit knappen Abmessungen ideal. Was uns schlussendlich zum neuen BMW Zweier führt. Offen natürlich. Und obwohl er gegenüber dem bisherigen Einser ordentlich zugenommen hat, inklusive Radstand und Spurweite. Das wirkt schon nicht mehr wirklich kompakt, eher mittelklassig, fast so wie früher der Dreier. Die Folge drinnen allerdings ist durchaus angenehm: mehr Komfort, mehr Bewegungsfreiheit, außerdem steigt es sich kommoder ein und aus. Überhaupt tut sich der Zweier leichter im Alltag als früher. Die Ladeöffnung ist breiter, die Durchlade größer und die Rücksitzlehne kann man vom Kofferraum aus entriegeln.

Trotzdem stellt sich die Frage nach dem Urlaubsgepäck. Mit offenem Dach bleiben 280 Liter übrig, das reicht für zwei, wie sich herausstellt, etwas Selbstdisziplin beim Packen vorausgesetzt. Schließlich bleiben ja auch noch die Rücksitze. Und weil der Süden in diesem Sommer schon ziemlich weit nördlich beginnt - temperaturtechnisch gesehen -, bleibt das Verdeck die nächsten sieben Tage unten, von den Nachtstunden und Kurzaufenthalten in Parkhäusern abgesehen. Es soll ja ziemlich viele Langfinger geben an der Côte d'Azur, hört man.

20 Sekunden vergehen zum Auf- und Zumachen. Dass das ziemlich lange sein kann, obwohl man dazu nicht anhalten muss, zeigt ein plötzlicher Guss auf der Autobahn südlich Turin. Weltuntergangsstimmung in Sekunden. Vorausschauen empfiehlt sich also. Dafür ist das Stoffdach des Zweiers jetzt besser gedämmt und der Wind zischelt auch bei Autobahntempo nur noch leise ans Ohr.

Ansonsten benimmt sich der Zweier auf den tempolimitierten Autobahnen nach Süden betont lässig. Wir rekeln uns in den exzellenten Sportsitzen, ruhig brummt der Diesel vor sich hin und gibt den meisten seiner 190 PS vorübergehend frei. Die Nerven schont das, den Verbrauch auch. Um die fünf Liter auf 100 Kilometer sind keine Kunst. Und der Wind des Südens fächelt freundlich.

Sonderausstattung für 27 000 Euro

Trotzdem: Zeit für etwas Abwechslung. Es warten der Col du Tende und die Seealpen. Kurven also, jede Menge, jede Art. Und ein BMW ist ein BMW, auch dieser Zweier. Straff abgestimmtes Fahrwerk, adaptive Dämpfer, Sportlenkung und exzellente Bremsen knüpfen das Netz, aus dem die Fahrfreude ist, die Steptronic hält derweil per Schaltpaddel die Pferde bei Laune. Und als mir meine Beifahrerin schließlich milde lächelnd die Hand begütigend auf den Unterarm legt, weiß ich, dass es Zeit ist, das Carven einzustellen und Musik aus der superben Anlage zu genießen.

Womit nicht unerwähnt bleiben soll, dass 57 Sonderausstattungen für unseren Testwagen gelistet sind. Macht gute 27 000 Euro Aufpreis - vom M-Paket bis zum Internet-Anschluss. Das ist einerseits mehr, als anderswo ein ganzes Auto kostet. Andererseits kann man auf vieles davon verzichten, Spaß macht der offene 220d auch so. Und am Ende heißt es: Urlaub aus, Dach zu.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2015
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