Süddeutsche Zeitung

Autotest:Wo sich die Kleinen strecken können

Lesezeit: 3 min

Diese beiden Autos buhlen vor allem um Familien als Käufer: der Fiat Tipo und der Škoda Fabia Combi. Im Vergleichstest zeigt sich: Während der eine überraschend viel Platz bietet, schluckt der andere deutlich weniger Sprit.

Von Felix Reek

"Füße, Füße, Füße!", ruft die Tochter immer wieder vom Rücksitz des Škoda Fabia Combi. Mit den Schuhsohlen tritt sie gegen den Beifahrersitz, die Abdrücke sind deutlich zu sehen. Das unmissverständliche Zeichen für: nicht genug Platz, nach vorne mit dem Sitz, aber schnell! Einen Handgriff später ist sie beruhigt. Der Škoda Fabia Combi hat sich als das Raumwunder, als das er bekannt ist, bewiesen. Mit einem Schönheitsfehler: Auf dem Beifahrersitz kann jetzt niemand mehr Platz nehmen. Es sei denn, er ist kleiner als 1,50 Meter. Oder stützt beim Reisen gerne das Kinn auf die angezogenen Knie. Nicht gerade perfekt für einen Familienausflug.

Kombis sind vor allem Familienautos. Hier entscheiden Raumangebot und Preis über Kauf oder Nicht-Kauf. Aber wie billig darf ein Kombi sein, um noch alltagstauglich zu sein? Aus diesem Grund treten hier nun zwei der preiswertesten Kombis auf dem Markt gegeneinander an: der Škoda Fabia Combi und der Fiat Tipo SW. Beide sind mit 110 PS (Škoda Fabia) und 120 PS (Fiat Tipo) ausreichend motorisiert und kosten knapp unter 20 000 Euro. Wer mehr Ausstattung will, landet schnell bei 25 000 Euro. Es geht aber auch deutlich billiger: 13 530 Euro kostet der Škoda Fabia Combi in seiner Basisversion, den Fiat Tipo SW gibt es bereits ab 16 450 Euro.

Zwar ist der Stauraum bei beiden Autos fast gleich groß (530 Liter fasst der Kofferraum des Škodas, 550 Liter der des Fiat), aber der Škoda kann nicht verbergen, dass er ein Kleinwagen ist. Mit 4,26 Meter ist der Tscheche zwar ähnlich lang wie ein VW Golf und 26 Zentimeter länger als die kleinere Variante mit Schrägheck. Aber im Vergleich zu ihr ist der Radstand beim Kombi nur um 1,5 Zentimeter gewachsen. Konkret heißt das: Der Kofferraum mag zwar das Gepäck für eine kleine Familie fassen, aber es mangelt an Beinfreiheit im Fond. Und zwar nicht nur für Erwachsene.

Denn ist der Nachwuchs noch klein, streckt er die Beine geradeaus und braucht mehr Abstand zur Vorderreihe. Werden die Kinder größer, winkeln sie die Beine im 45-Grad-Winkel nach unten ab. Dann funktioniert auch der Škoda Fabia Combi als Familienauto. Die Enge auf der Rückbank bleibt aber trotzdem.

Ganz anders der Tipo SW, Fiats erstem Kombi seit einer Ewigkeit. Dieses Segment hatten die Italiener zuletzt sträflich vernachlässigt. Wer an die Marke denkt, dem kommen vor allem Kleinwagen wie Panda, Punto oder zuletzt der Fiat 500 in den Sinn. Dabei ist der Tipo eine positive Überraschung.

Mit 20 Zentimetern ist der Kombi nicht viel länger als die Schrägheck-Variante des Modells, doch im Vergleich zum Škoda Fabia bietet der Innenraum wesentlich mehr Platz für Passagiere. Die Tochter zumindest beschwert sich hier nicht über mangelnden Fußraum im Fond. Und auch Erwachsene reisen in dem Italiener komfortabel. Das liegt daran, dass der Tipo eher der Golf-Klasse zuzuordnen ist. Er bietet also deutlich mehr Platz fürs Geld.

Der Innenraum des Škodas wirkt hingegen hochwertiger als der des Fiats. Die verwendeten Kunststoffe finden sich auch in den teureren Baureihen wie etwa dem Octavia. Wobei das nicht heißt, der Fiat wäre schlechter verarbeitet. Hier leisten sich beide Autos keine Schwächen.

Beim Entertainment sind die Kombis fast gleichauf. Sie bieten die mittlerweile üblichen USB-, AUX- und Bluetooth-Verbindungen, ein Digitalradio und ein großes Display, das sich per Touchen und Swipen wie ein Smartphone bedienen lässt. Die Entertainment-Einheit des Škodas ist allerdings etwas einfacher zu bedienen, der Bildschirm des Fiats ist zu überladen und unübersichtlich.

Auch die Antriebe, in beiden Fällen die Topmotorisierungen, sind zufriedenstellend. Zum Rasen verleiten sie mit ihren 110 PS (Škoda) beziehungsweise 120 PS (Fiat) sowie dem 1,0-Liter- beziehungsweise 1,4-Liter-Aggregat nicht, aber das ist auch nicht der Zweck dieser Autos. Wer sportlicher fahren will, muss einen anderen Kombi kaufen. Die sind aber wesentlich teurer. Ein vergleichbarer Opel Astra Sports Tourer kostet etwa 2000 Euro mehr, ein VW Golf Variant sogar 3000 Euro.

Natürlich gibt es auch Schwächen. Der Fiat fährt sich etwas schwammiger und undifferenzierter in der Stadt, bietet aber auf der Autobahn den besseren Komfort. Mit dem Preis eines höheren Verbrauchs. Im Schnitt acht Liter schluckt der Tipo im Mix aus Stadt, Landstraße und Autobahn. Das ist zu viel für ein Auto dieser Größe. Besser sieht es beim Škoda Fabia aus, der sich bei etwas über sechs Litern Kraftstoff einpendelt. Er kann durch seine direkte Lenkung seine Stärken vor allem im Stadtverkehr ausspielen. Auf der Autobahn wirkt sich der kurze Radstand negativ aus. Dort liegt der Fiat angenehmer auf der Straße.

Deswegen gibt es im Vergleich beider Autos auch keinen eindeutigen Sieger. Der Škoda ist ein guter Allrounder, der bei geringer Größe maximalen Platz bietet. Für eine drei- oder vierköpfige Familie ist er aber zu klein. Der Fiat Tipo hat zwar Schwächen, weckt aber nicht das Gefühl, es fehle etwas. Die Qualität ist gut, das Design gefällig, das Raumangebot ausreichend. Rein vom Preis-Leistungs-Verhältnis betrachtet, gibt es nichts Vergleichbares in diesem Segment. Geht es also nur um Platz und Alltagstauglichkeit, ist der Fiat die bessere Wahl. Zumindest so lange wie die Kinder mit ihren Füßen gegen die Vordersitze trommeln.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3886587
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.03.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.