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Autonomes Fahren:Mit Lidar sollen Autos richtig sehen lernen

Lesezeit: 2 min

Um selbständig fahren zu können, müssen Autos ihren Tunnelblick aufgeben. Eine neue Technologie hilft ihnen künftig dabei, um die Ecke zu schauen.

Von Joachim Becker

Kurzurlaub für den Fahrer: Das Bundesverkehrsministerium bereitet ein Gesetz für hoch automatisierte Autos vor. Ab 2017 soll die Aufmerksamkeit des Fahrers bei solchen "Level 3"-Fahrzeugen nicht mehr ständig erforderlich sein.

Bevor der Computer die Spurführung übernehmen kann, muss er jedoch einen Sehtest bestehen. Gefahren aus allen Richtungen wahrzunehmen, ist bisher ein entscheidender Vorteil des Menschen. Das breite Gesichtsfeld mit einem beweglichen Kopf sowie die hin- und her flitzende Augen helfen bei einer räumlich-präzisen Wahrnehmung des Straßenverkehrs.

Die Maschine muss ihren Tunnelblick aufgeben

Damit eine Maschine das gesamte Umfeld des Wagens kontrollieren kann, muss sie ihren Tunnelblick aufgeben. Bislang konzentrieren sich Fahrerassistenzsysteme wie der Abstandstempomat auf einen schmalen Ausschnitt des Verkehrsgeschehens. Für das hoch automatisierte Fahren ist nun eine Sensorik gefragt, die den 360-Grad-Überblick behält.

Experten sind sich einig, dass Lidar-Scanner ideal für die Umfeldüberwachung sind. Google setzt die großen Sensoren auf seinen eiförmigen Testwagen ein. Vorteil: Sie können mit bis zu 64 Ebenen ein dreidimensionales Abbild liefern. Kleiner Nachteil: Einzelstücke für Forschungszwecke kosten zwischen 30 000 und 70 000 Euro. Für Serienautomobile werden wesentlich kleinere Sensoren mit vier Ebenen gebraucht, die nur einen Bruchteil kosten dürfen.

Laserpulse statt Radiowellen

Lidar (aus dem Englischen: "Light Detection and Ranging") ist eine dem Radar verwandte Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitserkennung. Statt der Radiowellen beim Radar werden Laserpulse verwendet, um andere Objekte zu vermessen und zu klassifizieren - was mit Radarsignalen allein nicht gelingt. "Kaum ein Sensor liefert ein so robustes und präzises Rohsignal wie der Lidar-Scanner, dessen Daten man direkt verwerten kann", sagte Christoph Grote vor zwei Jahren auf dem Elektronikkongress in Ludwigsburg. "Wir sollten die nächsten zehn Jahre der Industrialisierung intensiv nutzen, um ein Preisziel von 100 Euro pro Sensor zu erreichen", appellierte der heutige Leiter Entwicklung Elektrik/Elektronik bei BMW an seine Zuhörer.

Die Botschaft scheint angekommen zu sein. Auf der Computermesse CES zu Anfang dieses Jahres hat der Zulieferer Delphi de3n Prototypen einen Volvo XC 90 mit Lidar-Scannern gezeigt. Zusammen mit Quanergy wollen die Amerikaner bis 2019 solche Sensoren in Serie bringen, die knapp über 200 Euro kosten sollen.

Viele Zulieferer steigen ein

In diesem Frühjahr hat der Zulieferer Continental das Hi-Res-3-D-Flash-Lidar-Geschäft von der kalifornischen Firma Advanced Scientific Concepts übernommen. "Heute verfügen wir über leistungsfähige und bewährte Technologielösungen in den Bereichen Radar, Kamera und Datenfusion", so Karlheinz Haupt, Leiter des Geschäftsbereichs Fahrerassistenzsysteme bei Continental, "die Hi-Res-3-D-Flash-Lidar-Technologie ist ein weiterer Baustein in unserem Technologieportfolio für das automatisierte Fahren". Der Zulieferer will diesen Technologiebereich längerfristig auf über 100 Ingenieure ausbauen.

Nun zeigt mit ZF ein weiterer Systemlieferant Flagge: Mit einer 40-prozentigen Beteiligung am Hamburger Lidar-Spezialisten Ibeo Automotive Systems soll die Solid-State-Technologie von bis zu 250 Mitarbeitern vorangetrieben werden. Dabei wird auf rotierende Spiegel verzichtet, um den Laser-Scanner kompakter und günstiger zu machen.

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Quelle:
SZ vom 06.08.2016
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