Süddeutsche Zeitung

Pro: Autonomes Fahren:Der Staat muss investieren, weil die Technik Leben rettet

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Vollautomatisierte Fahrzeuge können die Zahl der Unfallopfer senken - wenn sie sich mit der Infrastruktur vernetzen können. Deshalb sollte der Staat den Konzernen mit Investitionen helfen.

Kommentar von Joachim Becker

Wo immer die ersten Motorkutschen auftauchten, gingen vor 130 Jahren die Pferde durch, Tier und Mensch kamen unter die Räder. Nicht selten wurden die 20 Stundenkilometer schnellen Raser mit Steinen beworfen. Kaum jemand konnte sich den Nutzen solcher stinkenden und teuren Spielzeuge für spleenige Enthusiasten vorstellen. Heute haben sich die Menschen an die allgemeine Beschleunigung scheinbar genauso gewöhnt wie an Blechlawinen und die weltweit 1,3 Millionen Verkehrstoten jährlich.

Jetzt fürchten Menschen erneut, Opfer des technischen Fortschritts zu werden. Vor Kurzem gingen Einwohner von Chandler im US-Bundesstaat Arizona mit Steinen gegen Roboterfahrzeuge vor. Straßen voll mit scheinbar entfesselten, fahrerlosen Maschinen wirken so dämonisch wie die ersten Motorkutschen. In Wirklichkeit sind die hochgerüsteten Maschinen viel sozialer als jeder Auto-Rambo. Weil sie die Verkehrsregeln befolgen, immer kooperieren und jeder auf jeden aufpasst. Die Chancen stehen gut, dass gerade schwächere Verkehrsteilnehmer dadurch geschützt werden.

Moderne Gesellschaften müssen sich fragen lassen, wie lange sie die Hochrisikomobilität auf ihren Straßen weiter dulden wollen. Und wann sie ihren Ankündigungen zu "null Verkehrstoten" endlich Taten folgen lassen. Im vergangenen Jahr kamen in Deutschland erneut 3220 Menschen durch Verkehrsunfälle ums Leben, 393 000 wurden verletzt. Fast 90 Prozent davon durch menschliches Versagen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) beziffert den volkswirtschaftlichen Schaden auf 35 Milliarden Euro pro Jahr. Geld, dass besser in die Unfallprävention gesteckt würde.

Bald gibt es die ersten hochautomatisierten Serienfahrzeuge auf deutschen Straßen. Um längere Strecken ohne den Fahrer auszukommen, müssen sie mit der Verkehrsinfrastruktur vernetzt werden. Also zum Beispiel mit Baustellen oder Ampeln. Das ist gut angelegtes Geld, von dem nicht nur einige spleenige Enthusiasten, sondern alle Fahrer mit neuen Assistenzsystemen profitieren. Schneller als gedacht werden Neuwagen ohne das Sicherheitsplus zum alten Eisen gehören. Genauso wie Autos ohne Airbags und Dieselstinker.

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Quelle:
SZ vom 26.01.2019
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