Süddeutsche Zeitung

Autohandel:Ferrari aus dem Automaten

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Von Felix Reek

Wer kennt das nicht: Sie sind auf Shopping-Tour in Singapur und plötzlich spüren Sie ein leichtes Kribbeln im rechten Bein. Kurz danach juckt der Gasfuß auch noch. Aber was tun? Der Ferrari steht vor dem Sommersitz an der Côte d'Azur, der Bentley in St. Moritz, die Nanny fährt gerade mit dem Rolls-Royce die Kinder in die Schule. Für Menschen mit solchen Problemen hat Autobahn Motors jetzt die Lösung parat: die Nobelkarosse aus dem Automaten, direkt zum Mitnehmen.

Mitten in Singapur hat das Unternehmen ein Autohaus zur Selbstbedienung errichtet. Gefüllt mit dem Teuersten, was der Automarkt hergibt. Auf 15 Stockwerken mit jeweils vier Stellplätzen stehen 60 Nobelkarossen, die sich wie die das Best-of eines Autoquartetts lesen: Ferrari F430, Lamborghini Aventador, Maserati Quattroporte, Porsche 911 GT3, Aston Martin DBS Volante. Oder steht der Sinn vielleicht nach einen Oldtimer wie dem Mercedes 250 SL? Auch solche Autoklassiker stehen auf Knopfdrück zur Verfügung.

Passé sind nervige Autoverkäufer, die einem unbedingt noch den Champagner-Kühler als Extra andrehen wollen oder die Krokoledertasche passend zur Sitzgarnitur. Im Automotive Management System wählt der solvente Kunde auf einem Touchscreen das Auto seiner Wünsche aus. Das Licht erlischt und untermalt von dramatischer Musik zeigt ihm Autobahn Motors zuerst einen Werbefilm des Fahrzeugs, dessen Steuer er bald mit seinen Händen umschließen darf. In weniger als zwei Minuten fährt das Auto dann auf einer Plattform in die Empfangshalle. Einen ausreichenden Dispo auf der Kreditkarte vorausgesetzt.

Hintergründe für die ungewöhnliche Idee sind laut Unternehmens-Chef Gary Hong der Platzmangel und die hohen Mieten in der asiatischen Metropole. Singapur ist eine der Städte mit den weltweit höchsten Lebensunterhaltskosten. Hinzu kommt der nicht zu unterschätzende Werbeeffekt des überdimensionierten Süßigkeitenautomaten für Autofans.

Hongs Idee ist allerdings nicht der einzige kreative Vertriebsweg für Autos. Der Handel versucht schon seit Jahren, alternative Verkaufsmöglichkeiten zu finden. Denn in Zeiten des Online-Shoppings wollen sich immer weniger Kunden ins Autohaus am Rande der Stadt begeben, um mit einem muffeligen Verkäufer stundenlang über Preislisten zu brüten und um Ausstattung und Kosten zu feilschen. Der US-Gebrauchtwagenhändler Carvana aus Atlanta, Georgia etwa bietet seit 2012 alle seine Autos in einer 360-Grad-Ansicht im Internet an. Kunden können die Fahrzeuge direkt bestellen und nach Hause liefern lassen. Sind sie unzufrieden, geben Sie das Auto zurück.

"Erlebnisshopping" statt Autokauf

2013 eröffnete Carvana dann sein erstes automatisiertes Autohaus, bei dem aber immer noch ein Gebrauchtwagenhändler vor Ort sein musste. Seit 2015 ist auch der verschwunden. Käufer erhalten bei der "Vending Machine" (Verkaufsmaschine) nach Bezahlung ihres Autos einen überdimensionierten Chip, werfen ihn ein und ihr neuer Gebrauchtwagen fährt vor.

Bis auf Smart, das seine Kleinwagen in manchen Städten in Hochhäusern mit einem ähnlichen System wie Hong werbewirksam lagert, hat aber bisher noch kein Markenhändler dieses raum- und kostensparende Konzept umgesetzt. Die großen Hersteller setzen eher auf "Erlebnisshopping". Ein Beispiel ist die BMW-Welt in München, die Auslieferungszentrum, Museum und Sehenswürdigkeit zugleich ist.

Der Werbeeffekt des Konzepts scheint sich für Autobahn Motors aber auszuzahlen. Andere Unternehmen haben laut Gary Hong schon angefragt, ob er sein automatisiertes System weiterverkaufen will. Allerdings nicht für den Handel, sondern für Parkhäuser.

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