Süddeutsche Zeitung

CES-Autotrends:So sieht die automobile Zukunft aus

Die Autoindustrie steckt in der Krise? Auf der CES in Las Vegas will die Branche ein anderes Bild zeigen - mit schillernden Studien, sauberen Antrieben und schlauen Helferlein.

Von Christina Kunkel

Henrik Fisker ist als einstiger Chefdesigner von Aston Martin und Erfinder des Hybrid-Sportwagens Karma ein alter Bekannter im Auto-Geschäft. Auf der CES zeigt er mit seiner neuen Firma Fisker ein SUV namens Ocean - mit Solarzellen im Dach und einem Innenraum aus Recycling-Materialien. Die Solarpanele sollen pro Jahr bis zu 1600 zusätzliche Kilometer ermöglichen. Ein ähnliches Konzept verfolgt auch das Start-up Sion aus München, das gerade mittels Crowdfunding um das Fortbestehen der Firma Sono Motors kämpft. Finanzierungsprobleme hat Fisker für sein Recycling-Auto bisher nicht. Für den Teppich im Innenraum des Ocean sollen Plastikflaschen wiederverwendet werden, eine Zierleiste im Cockpit besteht aus ausrangierter Bekleidung wie T-Shirts. Das alles soll den Wagen besonders nachhaltig machen. Zugleich ist der Startpreis eine Kampfansage an die Branche: 37 500 Dollar soll der Ocean kosten (plus Steuern). Geplanter Marktstart: 2022.

Die größte automobile Überraschung auf der CES lieferte Sony. Der Konzern zeigte ein eigenes Elektroauto - den Vision-S, zusammen entwickelt mit dem österreichischen Zulieferer Magna Steyr sowie Bosch und Continental. Ob der Wagen tatsächlich irgendwann in Serie gehen wird, ist allerdings fraglich. Vielmehr wirkt die Studie wie ein Technologieträger, mit dem Sony sich als Zulieferer für Infotainment-Lösungen und Fahrerassistenzsystem-Sensoren ins Gespräch bringen will.

Bei Mercedes schillert die Vision AVTR im Rampenlicht und predigt inspiriert vom Hollywood-Blockbuster "Avatar" den Frieden zwischen Technik und Umwelt. Das Design ist von der Natur inspiriert, der Elektroantrieb ist emmissionslos und die Batterie lässt sich kompostieren. Das soll dieses ferne Traumbild der Designer zu einer nachhaltigen Luxuslimousine machen, die nach den Worten von Mercedes-Chef Olla Källenius zwar die Grenzen des Planeten respektiert, dem Menschen in seiner individuellen Freiheit aber keine Grenzen setzt.

Ganz neu ist der elektrische der SUV M-Byte nicht mehr. Bereits auf der IAA zeigte Byton das Modell mit seinem beeindruckenden 47-Zoll-Display, das fast von Tür zu Tür reicht. Die in China beheimatete Firma hat inzwischen 60 000 Reservierungen für den M-Byte. Byton will den SUV in diesem Jahr in China und bis Mitte 2021 auch in den USA und Europa auf den Markt bringen. Das Modell soll vor Steuern und E-Auto-Vergünstigungen in den USA 45 000 Dollar, beziehungsweise 45 000 Euro in Europa kosten - und damit die etablierten Premium-Anbieter unter Druck setzen.

Doch auf der Technikmesse stehen nicht nur komplette automobile Studien. Viele Firmen zeigen Design-Ideen oder technische Neuheiten für den Innenraum. So hat der Autozulieferer Continental gemeinsam mit dem Hifi-Spezialisten Sennheiser ein Audiosystem entwickelt, das ohne Lautsprecher auskommt. Die Töne werden von den vorhandenen Oberflächen im Innenraum des Fahrzeugs erzeugt. Mit dem System soll zum Beispiel der Sound eines von rechts kommenden Fahrzeugs räumlich eingespielt werden.

Außerdem will Continental Fahrer auf die Straße unter dem Motorraum blicken lassen. Dabei wird das Bild mehrerer Kameras zusammengefügt. Die Funktion soll zum Beispiel bei Fahrten auf unwegsamen Gelände oder Straßen mit Schlaglöchern helfen.

Während in anderen Hallen Gadgets wie Anti-Schnarchkissen oder smarte Windeln präsentiert werden, schaut die PS-Branche bei Bosch auf eine durchsichtige Sonnenblende, die vor Blendung schützt. Dabei ersetzt der Auto-Zulieferer die konventionelle, feste Sonnenblende durch einen transparenten Bildschirm. Der kann gezielt so verdunkelt werden, dass der Fahrer die Straße sehen kann, ohne von der Sonne geblendet zu werden. Eine Kamera ist dabei auf den Fahrer gerichtet und erkennt mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, wo sich welche Gesichtsbereiche befinden und wann sie verdunkelt werden müssen.

Während viele Newcomer ins Autogeschäft drängen, will Hyundai von der Straße in die Lüfte: Die Südkoreaner planen ein Lufttaxi. Das Fluggerät soll vier Passagieren und einem Piloten Platz bieten und per Uber eingesetzt werden. Die an eine Riesen-Drohne erinnernden Maschinen sollen in "Größenordnungen der Autoindustrie" produziert werden, wie Hyundai-Manager Youngcho Chi auf der CES in Las Vegas erklärte. Das Hyundai-Lufttaxi mit Elektromotoren werde deutlich leiser als ein Hubschrauber fliegen und auch ein Fallschirm-System zur sicheren Landung in Notsituationen haben, so das Unternehmen. Uber entwickelt schon seit mehreren Jahren die Lufttaxi-Plattform Elevate, auf der Fluggeräte verschiedener Hersteller eingesetzt werden sollen. Der kommerzielle Start von Elevate in ersten Städten wird für 2023 angepeilt.

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