Süddeutsche Zeitung

Zweigeschlechtlicher Vogel:Kardinal rot-weiß

Ornithologen haben ein besonderes Tier beobachtet - einen sogenannten Halbseiten-Hermaphroditen. Das Federkleid des Rotkardinals zeigt eine männliche und eine weibliche Seite.

Von Sebastian Herrmann

Dieser Rotkardinal tritt bunter auf als seine Artgenossen: Auf der linken Körperhälfte trägt das Tier das typische, leuchtend rote Federkleid eines Männchens; die rechte Seite des Vogels zeigt hingegen die eher unscheinbare bräunlich-graue Färbung der Kardinalweibchen.

Bei dem Vogel, den die Ornithologen Brian Peer und Robert Motz nun in der Fachzeitschrift The Wilson Journal of Ornithology (Bd. 126, S. 778, 2014) beschrieben haben, handelt es sich um einen sogenannten Gynander oder Halbseiten-Hermaphrodit. Das Tier lebt also als eine Art geschlechtliches Zwitterwesen.

Vierzig Tage lang hatten die beiden Vogelforscher von der Western Illinois University den rot-weißen Kardinal im Nordwesten des US-Bundesstaates Illinois beobachtet. Dort suchte er regelmäßig Futterstellen auf, an denen die Wissenschaftler das Verhalten des Vogels studierten. Der Gynander-Kardinal zeigte demnach keinerlei Gesang oder andere Vokalisationen; auch unternahm er keine Versuche, sich mit Artgenossen zu paaren.

Die anderen Kardinale schienen ihren rot-weißen Kollegen weitgehend zu ignorieren und zeigten ihm gegenüber kein außergewöhnlich aggressives Verhalten. Halbseiten-Hermaphroditen wie dieser Kardinal tauchen unter Vögeln, Krebstieren und Insekten auf. Die meisten Beobachtungen bei Vögeln stammen von Abendkernbeißern, einer amerikanischen Singvogelart.

1969 beschrieben Ornithologen schon einmal einen gynandromorphen Kardinal in rot-weißem Federkleid. Jenes Exemplar war jedoch im Vergleich zu dem nun untersuchten Vogel spiegelverkehrt gefärbt: rechts rot , links grau. Die Natur ist eben ganz schön bunt.

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Quelle:
SZ vom 02.01.2015
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