Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von Neil Armstrong:Gesicht des Fortschritts

Mit einem kleinen Schritt betrat Neil Armstrong am 21. Juli 1969 als erster Mensch den Mond. Die Bilder und Worte des Mannes im weißen Raumanzug brannten sich in das Gedächtnis der Menschheit ein. Er war ein Pionier des Weltraums - und bleibt eine Symbolfigur des Fortschritts.

Es sind körnige Bilder, sie wirken fern, geradezu entrückt: Neil Armstrong setzt in seinem klobigen Anzug als erster Mensch seinen Fuß auf den staubigen Boden des Mondes. 400.000 Kilometer entfernt schauen 500 Millionen Menschen fasziniert und beinahe ungläubig im Fernsehen zu. Es ist der 21. Juli 1969 und die Mondlandung durch die Apollo-11-Mission wird zu einem der bedeutendsten historischen Ereignisse. Und es ist der Moment, der den Astronauten Armstrong zu einem der berühmtesten Menschen Amerikas machte. "Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit", sagte Armstrong damals. Ein Satz, der ebenso bekannt wurde wie er.

Entsprechend groß sind nun die Worte, mit denen er nach seinem Tod beschrieben wird: "Neil war einer der größten amerikanischen Helden - nicht nur dieser, sondern aller Zeiten", sagte US-Präsident Barack Obama. "Solange es Geschichtsbücher gibt, wird Neil Armstrong darin enthalten sein", sagte der Chef der Raumfahrtbehörde Nasa, Charles Bolden.

Frankreichs Premier Jean-Marc Ayrault würdigte ihn als jemanden, der "durch dieses wunderbare Abenteuer" als Symbol dafür in Erinnerung bleiben wird, wie "Fortschritt von Wissenschaft und Technik identisch sein können mit dem Fortschritt der Menschheit". Die Bundesregierung sieht ihn in der Entdeckergeschichte der Menschheit auf einer Stufe mit Christoph Kolumbus.

Es sind Worte, die Neil Armstrong möglicherweise als übertrieben abtun würde. Er gab selten Interviews und war keiner, der seine Berühmtheit zu Geld machen wollte. In einem Gespräch mit dem US-Fernsehsender CBS sagte Armstrong 2005, er habe seinen Weltruhm so nicht verdient: "Ich war nicht auserkoren, der Erste zu sein. Ich war nur ausgewählt, diesen Flug zu befehligen. Die Umstände haben mich in diese besondere Rolle gebracht." Eigentlich nämlich sollte sein Kollege Edwin "Buzz" Aldrin den ersten Schritt auf den Mond setzen. Dieser aber wollte die Öffentlichkeit wegen eines Todesfalls in der Familie meiden.

Mit 16 Jahren hatte Armstrong bereits den Flugschein

Armstrong wurde am 5. August 1930 in Ohio auf der Farm seiner Großeltern geboren. Schon früh begann Armstrong, sich für das Fliegen zu begeistern. Mit 14 Jahren verdiente er sich Geld für Flugunterricht. An seinem 16. Geburtstag erhielt er bereits die ersehnte Fluglizenz. Er begann ein Studium, um Flugzeugingenieur zu werden, kam zum Militärdienst, wurde zum Marineflieger ausgebildet und in den Koreakrieg geschickt. Dort flog er 78 Kampfeinsätze und wurde einmal abgeschossen, konnte sich jedoch mit dem Fallschirm retten. Hoch dekoriert kehrte er 1952 an die Universität zurück, beendete das Studium und wurde Forschungspilot. 1962 wurde Armstrong dann unter 300 Bewerbern für das Astronautenprogramm der USA ausgewählt.

1966 gehörte er zu den Chefpiloten der Raumkapsel "Gemini 8" beim ersten Dockmanöver mit einer "Agena"-Rakete. Als die Raumkapsel wegen eines technischen Defekts außer Kontrolle geriet, brachte Armstrong sie wieder in die Umlaufbahn zurück und landete sicher im Atlantik. Seine Reaktionsfähigkeit rettete ihm auch am 6. Mai 1968 das Leben, als ein Trainings-Mondlandegerät auf einem Routineflug abstürzte und er mit einem Fallschirm abspringen konnte. Nach der Apollo-11-Mission wurde Armstrong stellvertretender Leiter des Aeronautik-Büros der Raumfahrtbehörde Nasa in Washington. Aber bereits ein Jahr später verließ er die Behörde wieder und wurde Professor für Raumfahrt-Ingenieurwesen in Cincinnati und begann auf seiner Farm Vieh zu züchten und Mais anzubauen.

Bedauern, zu wenig Zeit mit seiner Familie verbracht zu haben

Die Passion für seinen Beruf und die vielen Reisen verhinderten allerdings, dass Armstrong seine Familie oft sah: "Was ich bedaure ist, dass meine Arbeit so viel Zeit kostete. Diese Zeit konnte ich nicht mit meiner Familie verbringen, als meine Kinder aufwuchsen", sagte er einmal. Armstrong hat zwei Söhne, Eric und Marc. Seine Tochter Karen starb 1962 mit zwei Jahren an Krebs. Eine Situation, die Armstrong zu bewältigen versuchte, indem er seine Arbeit fortsetzte, "so normal wie eben möglich", wie er selbst sagte.

Seinen lebenslangen Traum, das Fliegen, verfolgte er auch noch im Alter. Er setzte sich für die Pläne künftiger Mond- und Marsexpeditionen des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush ein. Als Bushs Nachfolger Barack Obama das Programm zur Rückkehr auf den Mond 2010 absagte, gehörte Armstrong zu seinen Kritikern. Umso glücklicher muss ihn die erfolgreiche Landung des Roboters "Curiosity" Anfang August auf dem Mars gemacht haben.

Armstrong war, abgesehen von wenigen öffentlichen Auftritten, ein stiller und schweigsamer Mensch. Nach seiner Karriere züchtete er auf seiner Farm in Cincinnati Vieh und baute Mais an. Besser als die großen Worte passt zu seinem Tod daher wahrscheinlich der Satz seiner Familie. Sie hat eine bescheidene Bitte: "Das nächste Mal, wenn Sie in einer klaren Nacht draußen sind und sehen, wie der Mond auf sie herab lächelt, denken Sie an Neil und zwinkern Sie ihm zu."

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