Zoologie:Schön gefährlich

Kegelschnecken, grüne Mambas und Vogelspinnen sind mitunter tödlich, faszinieren aber mit ihren Farben und Mustern.

Von Lennart Pyritz

Kegelschnecken

Gift-Tiere

Fotos: Imago (3), NHPA/Photoshot/PA, mauritius images (5), Illustrationen: Stefan Dimitrov

Die vor allem auf sandigem Boden oder nahe Korallenriffen in tropischen Meeren lebenden Kegelschnecken (der Gattung Conus) sind Fleischfresser. Unter Wasser machen sie Jagd auf andere Schnecken, Muscheln, Würmer und sogar Fische. Dabei setzen sie weniger auf Geschwindigkeit, sondern auf einen über Artgrenzen hinweg im Prinzip identisch aufgebauten Giftapparat. Dessen Herzstück ist eine Art hohle Harpune, mit deren Hilfe die Kegelschnecken Nervengift in vorbeiziehende Opfer pumpen können. Das Gift besteht aus vielen Hundert aktiven Bestandteilen und kann selbst für Menschen tödlich sein. Mitunter sind Taucher betroffen, die nach den Tieren greifen; oder Spaziergänger am Strand, die eines der oft ansprechend gemusterten Gehäuse einsammeln und dabei versehentlich ein lebendiges Tier erwischen. Wirksame Bestandteile des Kegelschnecken-Gifts sind Peptide - kurze Ketten aus Aminosäuren - die auch bei der Entwicklung neuer Medikamente eine Rolle spielen. Besonders im Bereich der Schmerztherapie ruhen auf den Conotoxinen große Hoffnungen.

Mamba

Gift-Tiere

Die Gewöhnliche Mamba ist eine grüne, schlanke, mehr als zwei Meter lange Schlange, deren Biss bei Menschen zu lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen führen kann. Der französische Wissenschaftler Nicolas Gilles vom CEA Saclay, einem staatlichen Forschungszentrum südwestlich von Paris, beschrieb 2017 im Fachmagazin PNAS allerdings auch einen heilsamen Effekt auf Grundlage des tödlichen Toxins. Im Gift der grünen Schlange fanden er und sein Forschungsteam das Eiweißmolekül Mambaquaretin. Dieses Molekül blockiert einen Rezeptor, der die Bildung von Zysten-Nieren unterstützt - ein genetisch bedingtes Krankheitsbild, bei dem unzählige flüssigkeitsgefüllte Bläschen die Filterfunktion der Nieren stören. Zumindest im Versuch mit Mäusen ließ sich dadurch das Fortschreiten der Krankheit eindämmen. Der Forscher ließ das Molekül daraufhin patentieren. Bislang hat er aber kein Pharmaunternehmen finden können, welches das therapeutische Potenzial des Giftmoleküls und seine Anwendung beim Menschen weiter untersuchen will.

Gila-Krustenechse

Gift-Tiere

Das Gila-Monster - so wird die Art im Englischen genannt - zählt zu den wenigen giftigen Echsen-Arten weltweit. Die bis zu einem halben Meter messenden Reptilien leben in Mexiko und im Südwesten der USA. Dort suchen sie am Boden und im bodennahen Gestrüpp nach Essbarem, darunter Vogeleier, kleine Nagetiere und Insekten. Den Großteil der Zeit verbringen die Tiere allerdings unter Felsen, in verlassenen Erdhöhlen oder den aufgegebenen Bauten von Buschratten. Die Populationen der Gila-Krustenechse wurde durch illegalen Reptilienhandel und die Zerstörung des Lebensraumes dezimiert. Auch der zunehmende Verkehr stellt eine Bedrohung für die Tiere dar. Die stämmigen, auffällig schwarz und rosa gefärbten Tiere wirken auf den ersten Blick plump, sie können aber blitzartig zubeißen. Dabei geben sie Gift aus dem Unterkiefer ab, das durch Biss- und Kaubewegungen in den Blutkreislauf gelangt. Oft sind die Krustenechsen danach nur schwer vom Opfer zu lösen. Ein Biss verursacht starke Schmerzen und führt zu Kreislaufschwäche.

Feuerameisen

Gift-Tiere

Das Gift von Feuerameisen enthält Solenopsine - stickstoffhaltige Moleküle, die für andere Insekten tödlich sein können und gegen Pilzbefall wirken. Laut einer aktuellen Studie eines amerikanischen Forschungsteams könnten daraus in Zukunft Wirkstoffe gegen Psoriasis oder Schuppenflechte entstehen. Unter der entzündlichen Hautkrankheit leiden allein in den USA etwa sechs Millionen Menschen. Die Ursachen der Erkrankung sind noch immer unklar. Forscher vermuten, dass die natürliche Barrierefunktion der Haut gestört wird. Entscheidend für diese Funktion sind Ceramide - Lipid-Moleküle in der Haut, die auch in manchen Hautpflegeprodukten enthalten sind. Allerdings können sie durch bestimmte Stoffwechselprozesse zu Molekülen umgebaut werden, die mit Entzündungen und der Entstehung von Tumoren in Verbindung gebracht werden. Bei Solenopsinen nach dem Vorbild von Feuerameisengift besteht die Gefahr offenbar nicht. Erste Versuche bei Mäusen waren erfolgreich. Ob sich die Behandlung auch auf Menschen übertragen lässt, müssen erst noch weitere Studien zeigen.

Schleimfisch

Gift-Tiere

Säbelzahnschleimfische der Gattung Meiacanthus leben im tropischen Pazifik, unter anderem am Great Barrier Reef. Zu ihrer Verteidigung setzen die nur wenige Zentimeter großen Tiere Gift aus Drüsen ein, das sie Angreifern mithilfe ihrer Eckzähne injizieren. Wie Versuche mit Mäusen gezeigt haben, lässt das Gift den Blutdruck des Opfers schnell sinken. Außerdem wirkt es ähnlich wie Heroin oder Morphium auf Opioidrezeptoren und verringert offenbar eher das Schmerzempfinden, als es zu steigern. Auch Menschen, die von Säbelzahnschleimfischen gebissen wurden, haben nur von leichten Schmerzen berichtet. Dieser Gifteffekt dürfte Angreifer benommen machen und den Tieren so die Flucht erleichtern. Australische Biologen hoffen, dass auf dieser Grundlage irgendwann neue Schmerzmittel entwickelt werden können. Ihre Forschung verbinden sie mit einem Appell für den Naturschutz: Das Great Barrier Reef sterbe durch die Folgen des Klimawandels. Ginge das einzigartige Ökosystem verloren, verschwänden auch die Säbelzahnschleimfische - und mit ihnen ihr einzigartiges Gift.

Vogelspinne

Gift-Tiere

Die Mexikanische Rotknie-Vogelspinne bewohnt Erdhöhlen in trockenem Buschland und in Wüsten. Bei Gefahr kann sie Haare mit winzigen Widerhaken von ihrem Hinterleib reiben und Angreifern entgegenschleudern. Diese sogenannten Brennhaare können zu starken Hautreizungen führen. Das Gift dient dazu, Beutetiere zu lähmen - vorwiegend Insekten, aber auch Mäuse und Frösche. Die Vogelspinne ist ein beliebtes Terrarientier. Für Forscher ist die Gifthalterszene eine gute Quelle, um an Untersuchungsproben zu kommen.

Malaiische Grubenotter

Gift-Tiere

Wie der Name nahelegt, stammt die Art aus Südostasien. Verwandt sind die Tiere mit den Klapperschlangen, mit denen sie sich auch die dreieckige Kopfform teilen. Malaiische Grubenottern verharren oft an einem Ort, bis ein Beutetier eintrifft - oder eine Gefahr vorüber ist. Dieses Verhalten führt immer wieder dazu, dass Menschen gebissen werden, zum Beispiel bei der Feldarbeit auf Plantagen. Bereits in den Sechzigerjahren hatte der aus Großbritannien stammende Mediziner Hugh Alistair Reid in Malaysia beobachtet, dass das Blut von Menschen nach dem Biss einer Malaiischen Grubenotter sehr schlecht gerinnt. Untersuchungen ergaben, dass dafür eine bestimmte Komponente des Schlangengifts verantwortlich ist: ein Enzym namens Fibrinogenase. Der auf Grundlage dieses Enzyms entwickelte Wirkstoff Ancrod war vor etwa 25 Jahren bereits einmal in Deutschland für periphere Durchblutungsstörungen registriert. In Österreich wurden auch Skifahrer mit Erfrierungs- erscheinungen damit behandelt. Inzwischen ist Ancrod wieder vom Markt verschwunden.

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