Süddeutsche Zeitung

Zoologie:Das Ende einer Art

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In einem kenianischen Wildresevat musste der 45-jährige Sudan eingeschläfert werden. Er war der letzte Nördliche Breitmaulnashornbulle. Dennoch gibt es eine leise Hoffnung für das Fortbestehen der Art.

Von Jan Schwenkenbecher

Sudan, das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn, ist tot. "Mit großer Trauer" gab das kenianische Wildreservat Ol Pejeta, in dem der Bulle seine letzten Jahre verbracht hatte, das Ableben des letzten Exemplars in einem Tweet bekannt. Sudan habe zuletzt an Altersschwäche gelitten, seine Muskeln und Knochen seien schwächer geworden, auf seiner Haut hätten sich große Wunden gebildet. In den letzten 24 Stunden seines Lebens habe sich die Gesundheit des Tiers rapide verschlechtert, am Ende habe er nicht mehr aufstehen können. Tierärzte schläferten ihn ein. Sudan wurde 45 Jahre alt. Er hinterlässt seine Tochter Najin und die Enkelin Fatu.

Breitmaulnashörner werden bis zu vier Meter lang, fast zwei Meter hoch und 3,5 Tonnen schwer. Einst grasten sie in Ost- und Zentralafrika. 1960 gab es noch 2360 der Tiere in der freien Wildbahn, berichtet die Naturschutzunion IUCN. Doch im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts fiel die Art zunehmend bewaffneten Konflikten und Wilderern zum Opfer, die es auf das Horn der Tiere abgesehen hatten.

Sudan wurde in den 1970er-Jahren aus der Wildnis gerettet und in den Zoo im tschechischen Dvůr Králové nad Labem gebracht. Wild lebende Tiere wurden immer seltener, 1996 änderte die IUCN den Status der Art von "vom Aussterben bedroht" auf "kritisch vom Aussterben bedroht". Letztlich blieben wohl nur noch vier Exemplare im tschechischen Zoo übrig. 2009 zog Sudan zusammen mit seinen drei Artgenossen aus Tschechien zurück nach Afrika, in den kenianischen Wildpark.

Die Tiere wurden auf eine spezielle Diät gesetzt und rund um die Uhr von bewaffneten Rangern geschützt. Noch im reifen Nashornalter paarte sich Sudan mit Artgenossinnen. Nachwuchs kam dabei allerdings nicht mehr zustande. Es half auch nicht, als sich die Wildpark-Betreiber im vergangenen Jahr mit der Dating-Plattform Tinder zusammenschlossen, um dort für Sudan ein eigenes Profil anzulegen. Seine Beschreibung: "Ich will nicht zu aufdringlich sein, aber das Schicksal der Spezies hängt buchstäblich von mir ab." Es war eine Werbeaktion, um Geld für Forschung zur künstlichen Befruchtung Nördlicher Breitmaulnashörner zu sammeln.

Auf Spenden hoffen die Reservat-Betreiber immer noch. Sie haben Genproben von Sudan gesammelt und mit Spermien von ihm und älteren, bereits gestorbenen Bullen eine kleine Sammlung angelegt. Zusammen mit Eizellen von Najin und Fatu, Sudans Nachkommen, wollen sie nun versuchen, das Nördliche Breitmaulnashorn nachzuzüchten und die Art zu erhalten. Nach einer künstlichen Befruchtung könnten die Embryonen von einer verwandten Art ausgetragen werden, den Südlichen Breitmaulnashörnern. Beide Arten sind sich so ähnlich, dass in der Vergangenheit immer wieder diskutiert wurde, ob es sich überhaupt um zwei verschiedene Spezies handelt. Von den Südlichen Breitmaulnashörnern leben noch etwa 20 000 Exemplare im Süden Afrikas, nachdem auch sie vor 100 Jahren beinahe ausgerottet waren. Eine Technik zur In-Vitro-Befruchtung für Nashörner muss allerdings erst noch entwickelt werden.

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Quelle:
SZ vom 21.03.2018
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