Zoologie:18 Minuten atemlos

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Nacktmulle überleben 18 Minuten ohne Sauerstoff. (Foto: Thomas Park/dpa)

Der Nacktmull sieht seltsam aus, kann aber verdammt lang die Luft anhalten. Können wir Menschen von ihm lernen?

Von Hanno Charisius

Der Nacktmull gilt als ebenso hässlich wie faszinierend. Der Nager wartet mit zahlreichen enormen Eigenschaften auf: Er trinkt kein Wasser und kann seine Körpertemperatur der Umgebung anpassen, fast als wäre er ein Reptil und kein Säugetier. Die Tiere sind gegen Schmerzen und Krebs gefeit und werden für Nager nahezu steinalt: bis zu 28 Jahre - ein Vielfaches dessen, was etwa Mäuse oder Ratten erwarten können. Nun melden Wissenschaftler, dass die kahlen Tiere auch noch verblüffend lange Zeitspannen ohne Sauerstoff auskommen könne. Eigentlich müsste der Nacktmull fortan Supermull genannt werden.

18 Minuten lang können Nacktmulle auf Sauerstoff in der Atemluft verzichten. Die kahlen Tiere verlieren zwar das Bewusstsein und ihr Herz schlägt sehr langsam. Wie Fische, die in einem zugefrorenen See überwintern, fahren Nacktmulle ihren Stoffwechsel drastisch herunter, um die Energieversorgung des Gehirns nicht zu gefährden. Bekommen sie aber wieder Sauerstoff zu atmen, verhalten sie sich nach wenigen Augenblicken wieder, als sei nichts gewesen. Mäuse und Menschen, können einen solchen Sauerstoffmangel nur wenige Minuten überleben.

Könnten Körperzellen im Notfall auf Fruktose umschalten, würden die Schäden geringer ausfallen

Über die erstaunliche Überlebensstrategie der Nager berichtet eine internationale Forschergruppe um den Physiologen Gary Lewin vom Max-Delbrück-Centrum in Berlin im Wissenschaftsmagazin Science. Bei nur fünf Prozent Sauerstoff in der Luft können Nacktmulle fünf Stunden ohne Probleme überleben. Normalerweise liegt der Sauerstoffanteil in der Luft bei etwa 21 Prozent. Mäuse sterben nach 15 Minuten unter solchen Bedingungen. Menschen brauchen wenigstens zehn Prozent Sauerstoff in der Atemluft, um zu überleben. Dass Nacktmulle mit so wenig Sauerstoff auskommen, ist wohl eine Anpassung an ihren Lebensstil in Höhlen, die sich bis zu 20 Kilometer weit erstrecken und in denen Atemluft manchmal knapp wird.

Die Forscher konnten auch herausfinden, wie es die bizarren Tiere anstellen, trotz solcher Bedingungen zu überleben. Unter normalen Umständen verwandeln Nacktmulle den Zucker Glukose in Energie, die ihre Zellen benötigen, so wie es auch alle anderen Säugetiere machen. Dazu ist allerdings Sauerstoff notwendig, was der Grund dafür ist, dass Tiere atmen müssen. Ohne Sauerstoff können Nacktmulle auf den Zucker Fruktose umschalten, den ihr spezialisierter Stoffwechsel auch ohne Sauerstoff in Energie verwandeln kann. Trotzdem müssen sie ihren Organismus herunterfahren, um im Fruktose-Modus überleben zu können, ihre Atmung und ihr Herzschlag verlangsamen sich deutlich.

Die Forscher spekulieren in ihrem Fachartikel noch über mögliche Nutzen für den Menschen aus dieser Erkenntnis. Die Folgen von Herzinfarkten und Schlaganfällen sind oft so schwer, weil dem Gewebe Sauerstoff fehlt. Könnten Körperzellen im Notfall auf Fruktose umschalten, würden die Schäden geringer ausfallen. In wenigstens einigen Geweben besitzt der menschliche Körper die Fähigkeit, Fruktose ohne Sauerstoff zu verwerten.

© SZ vom 24.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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