Das große Verschwinden:WWF-Studie: Bestand der Wirbeltiere um 60 Prozent geschrumpft

  • Am Dienstag haben die Umweltstiftung WWF und die Zoologische Gesellschaft London ihren "Living Planet Report 2018" vorgestellt.
  • Demnach verbraucht die Menschheit in jedem Jahr 70 Prozent mehr natürliche Ressourcen, als die Erde in diesem Zeitraum erneuern kann.
  • Besonders stark schrumpfen die Tierbestände in Süd- und Zentralamerika. Dort sank ihre Zahl um 89 Prozent gegenüber 1970.

Von Hanno Charisius

Die Menschheit verbraucht in jedem Jahr 70 Prozent mehr natürliche Ressourcen als die Erde in diesem Zeitraum erneuern kann. Das ist eine der vielen schlechten Nachrichten aus dem Living Planet Report 2018 der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Eine andere: Biologen haben die Bestände von 4000 Wirbeltierarten ausgewertet, im Durchschnitt ist die Zahl der Tiere seit 1970 um 60 Prozent gesunken.

Um den Verbrauch zu erfassen hilft es, sich die gesamten natürlichen Ressourcen der Erde als ein Waldstück von der Größe eines Fußballfeldes vorzustellen. Darauf könnte der Mensch problemlos jedes Jahr ein paar Bäume fällen. Bleiben Nachwuchs und Holzeinschlag im Gleichgewicht, dann bekommt der Wald kein Problem - und auch nicht der Mensch. Tatsächlich schlägt die Menschheit jedoch 70 Prozent mehr aus dem Waldstück heraus, als nachwächst. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis aus dem einst intakten Biotop eine kahle Brache wird.

Doch die Zeit wird knapp, auch das belegt der Report: Der Ressourcenbedarf der Menschheit steigt stetig. Dabei müsste er abnehmen, um die Verwüstung zu verhindern. "Unser Lebensstil ist wie Kettenrauchen und Komasaufen auf Kosten des Planeten", fasst Jörg-Andreas Krüger, Geschäftsleiter Naturschutz beim WWF Deutschland, die Ergebnisse des Reports zusammen. Noch sei jedoch eine Trendwende machbar. "Dazu müssen wir national und international mutiger und konsequenter handeln."

Die Menschheit müsste ändern, was seit mehr als vier Jahrzehnten in die falsche Richtung läuft. So lange nutzt sie bereits mehr natürliche Ressourcen, als der Planet erneuern kann, heißt es in dem Report. "1,7 Erden bräuchte es momentan, um den Ressourcenverbrauch zu decken."

Besonders stark schrumpfen die Bestände von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien in Süd- und Zentralamerika. Dort sank ihre Zahl um 89 Prozent gegenüber 1970. "Deutschland hat am erschütternden Rückgang der biologischen Vielfalt weltweit maßgeblich Anteil", sagt Krüger. "Für unseren Lebensstil fallen in Südamerika, Afrika oder Asien Bäume, verschmutzen Flüsse, schwinden Tierbestände oder sterben Arten ganz aus."

Unumstritten sei die Bedeutung der Natur, der biologischen Vielfalt und der funktionsfähigen Ökosysteme für Gesundheit, Wohlstand, Ernährung und Sicherheit der Menschheit, heißt es weiter in dem Bericht, an dem mehr als 50 internationale Expertinnen und Experten gearbeitet haben. "Nach Schätzungen erbringt die Natur mit ihrer Vielzahl an Lebewesen eine ökonomische Wertschöpfung von 100 Billionen Euro jährlich. Von Rohstoffen, Wasser, Lebensmitteln, Arzneimitteln und Energie bis hin zu Bestäubung, Bodenbildung sowie Schutz vor Fluten, Stürmen und Erosion."

Die natürlichen Systeme der Erde seien überlebenswichtig für die Menschheit, schreiben die Autoren, die Daten aus insgesamt 3268 Einzelquellen zusammengefasst haben, darunter Langzeit-Monitoringprogramme durch Wissenschaftler und sogenannte Citizen-Science-Projekte.

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