Wunder des Alltags:Siesta

Sie lässt die Spanier wie Raster und Penner aussehen. Dabei ist die ausgedehnte Mittagspause gar kein Symbol für Faulheit, sondern für Fleiß. Meint Juan Moreno

Wir Spanier sind ein sehr entspanntes Volk, würde ich sagen. Eine irische Studie hat kürzlich festgestellt, dass unser Intelligenzquotient im europäischen Vergleich weit unterdurchschnittlich ist, und wir waren in keiner Weise empört.

Wir haben es mit Haltung und Würde hingenommen. Der Grund: Die Italiener sind laut Studie noch blöder. Nur das zählt. Es macht uns auch nichts aus, dass immer behauptet wird, alle unsere Frauen bekämen irgendwann einen Schnauzbart. Wir wissen, dass das eine Lüge, eine Unverschämtheit ist.

Das mit dem Bart sind nur die Frauen im Süden, die im Norden sind völlig in Ordnung. Eine Sache aber, die immer wieder auftaucht, und die uns wirklich wütend macht, ist das Gerede von der Siesta.

Das sei doch wirklich ein Wunder des Alltags, heißt es. Zwischen eins und fünf ratzt ein ganzes Land weg, ein Volk der Raster und Penner. Nur so viel dazu: Die Siesta gibt es seit ungefähr 80 Jahren.

Während die in Berlin auf Belle Époche machten, mussten die meisten Spanier zwei Berufe ausüben, um am Leben zu bleiben. Feldarbeit, Ziege hüten, beim Großgrundbesitzer aushelfen. Zwischen beiden Tätigkeiten, wurde geruht. Meist um die Mittagszeit.

Siesta ist also kein Symbol für Faulheit, sondern für Fleiß. Eine andere Sache ist die Vorliebe der Spanier für die Abendstunden. Wenn Madrid gegen Barcelona spielt, wird nie vor 21 Uhr angepfiffen. Ein Abendessen an einem Freitagabend endet in der Regel nach Mitternacht.

Das hat vor allem zwei Gründe. Zum einen das Wetter. Nur deutsche Urlauber schaffen es, bei 43 Grad im Schatten zu verdauen. Eine anderer, wichtigerer Grund hat mit einem gewissen Francisco Franco zu tun. Der Diktator bestand darauf, dass Spanien die gleiche Zeit haben sollte, wie das Land seines guten Freundes Adolf Hitler.

Die Konsequenz: In keinem Land Europas wird es so spät hell und so spät dunkel. Weil Franco unbedingt zu Zentraleuropa gehören wollte, spielt seit Jahrzehnten der Biorhythmus der Spanier verrückt.

Die Portugiesen zum Beispiel haben ihre Zeit umgestellt. Sie essen nicht mitten in der Nacht zu Abend, sie pfeifen ihre Fußballspiele zu einer vernünftigen Zeit an. Dafür haben ihre Frauen einen Bart. Im Norden und im Süden. Alles gleicht sich aus.

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