Wissenschaft:Tiefer Fall

Welche Ironie: Die Max-Planck-Direktorin Tania Singer gilt als eine weltweit führende Empathie-Forscherin. Jetzt räumt sie ihren Posten - ausgerechnet wegen fehlender Empathie. Ihre Mitarbeiter berichteten über Mobbing und Einschüchterung.

Von Christian Weber

Welche Ironie: Sie gilt als eine weltweit führende Empathie-Forscherin, jetzt muss sie ihren Posten räumen - wegen fehlender Empathie. Die Psychologin und Neurowissenschaftlerin Tania Singer wird als Direktorin der Abteilung Soziale Neurowissenschaften des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig abtreten und in Zukunft ihre Arbeit nur noch als "Wissenschaftlerin ohne Leitungsfunktion außerhalb des Leipziger Instituts in kleinem Rahmen fortsetzen", wie Max-Planck-Sprecherin Christina Beck bestätigte. Eine im September 2018 eingesetzte Kommission habe jetzt einen Bericht vorgelegt, der ihr "erhebliches Führungsfehlverhalten bestätigt", so Beck. Die Kommission habe jedoch "keinen Anlass gesehen, ein Verfahren wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens einzuleiten".

Tania Singer, 48, hatte in den vergangenen Jahren Prominenz auch außerhalb der wissenschaftlichen Welt erlangt. Sie erregte Aufsehen mit ihren interdisziplinären Studien zu den Grundlagen sozialer Emotionen. Seit 2013 leitete sie am Leipziger MPI eines der größten Forschungsprojekte überhaupt zu den Auswirkungen von Meditation auf das Gehirn. Auf Veranstaltungen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos forderte sie regelmäßig mehr Mitgefühl auch in Wirtschaft und Gesellschaft.

Dieses fehlte ihr aber offenbar im eigenen Labor. Das Wissenschaftsmagazin Science und das Online-Portal BuzzFeed berichteten im Sommer dieses Jahres, dass Singer über Jahre Mitarbeiter und Doktoranden gemobbt und eingeschüchtert hatte. Insbesondere schwangere Frauen seien von ihr angeschrien und unter Druck gesetzt worden, weil sie als Arbeitskräfte ausfielen, berichteten Mitarbeiter im Schutz der Anonymität. Obwohl Singer die meisten Vorwürfe als "haltlos" abstritt, ist die Kommission nun zu einer anderen Ansicht gekommen.

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