Wissenschaft - Stuttgart:Bauer: Wissenschaft muss sich leichter verständigen

Baden-Württemberg
Theresia Bauer (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg, spricht. Foto: Christoph Schmidt/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Stuttgart (dpa/lsw) - Aus den Corona-Monaten geht die Forschung nach Ansicht von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer zwar deutlich gestärkt hervor. Die Experten dürften aber nicht vergessen, ihre Lehren aus diesen Erfolgen und aus den weniger erfolgreichen Kapiteln der Vermittlung ihres Wissens zu ziehen, sagte die Grünen-Politikerin der dpa. Es müsse ihnen noch stärker als bislang gelingen, komplexe und wissenschaftliche Zusammenhänge in verständlicher Sprache und bisweilen auch schneller als bisher auf den Punkt zu bringen. Sie müssten lernen, so zu erklären, dass Laien verstünden, worum es geht.

In den Monaten der Pandemie habe sich wie unter dem Brennglas gezeigt, wie Wissenschaft funktioniert, wie sie analytisch vorgeht, Daten sammelt und bewertet und wie sie schließlich vorläufige Erkenntnisse formuliert. Nun schwimme die Wissenschaft auf einer Erfolgswelle. In einer Umfrage für das Wissenschaftsbarometer Corona Spezial von Mitte April 2020 geben fast drei Viertel der 1000 Befragten an, eher oder voll und ganz in Wissenschaft und Forschung zu vertrauen. In den vergangenen Jahren haben dies rund die Hälfte der stets 1000 Befragten erklärt.

"Ein solches Interesse von breiten Bevölkerungskreisen an dem, was Wissenschaft kann und was sie uns zu sagen hat, habe ich noch nicht erlebt", sagt auch Bauer. Die Menschen hätten in diesem Jahr gelernt, dass sich die großen und vor allem die globalen Probleme nur mit Hilfe der Wissenschaft lösen ließen. "Die Hoffnungen der Menschen waren nie größer auf Problemlösungen, die von der Wissenschaft hervorgebracht werden." Bei der Klimakrise sei das nicht anders. "Auch dieses Problem werden wir nicht ohne die Wissenschaft in den Griff kriegen", sagte Bauer.

Aus der Coronakrise müssten Wissenschaftler die Lehre ziehen, in leichterer Sprache zu sprechen. Der Virologe Christian Drosten sei nicht etwa bekannt geworden, weil er sich glamourös verkauft habe. "Vielmehr hat er in einer doch sehr sachorientierten, auch mal spröden, aber gut allgemeinverständlichen Art den Menschen Dinge erklärt, die wichtig sind in ihren Leben."

Außerdem müsse die Wissenschaft relevant sein, um anzukommen. "Es reicht nicht aus, wenn die Wissenschaft zwei Jahre nach der öffentlichen Debatte mit einer Erkenntnis um die Ecke kommt", sagte Bauer. "Wir brauchen Rückmeldungen, wenn es brennt, aber das ist in der Regel nicht der Rhythmus von Wissenschaft."

Ein gutes Beispiel für diese Form der erfolgreichen Relevanz sei die Studie der Universitätskliniken, nach der Kinder keine besonderen Treiber des Infektionsgeschehens seien. Auf ihrer Grundlage hatte die Landesregierung beschlossen, ein Konzept für die weitere Öffnung der Grundschulen zu entwickeln und Kitas bis Ende Juni vollständig zu öffnen.

"Die Wissenschaftler haben damals in Windeseile eine Studie aufgesetzt, die wissenschaftlich-methodisch eher nicht so innovativ ist, irgendwann ein Science Papier zu werden", sagte Bauer. "Aber ihre Ergebnisse waren extrem relevant und dringlich für die Umsetzung bezüglich der Öffnung von Kitas und Schulen." Die Experten hätten sich getraut, einen Zwischenstand zu geben und sich angreifbar zu machen. Das sei womöglich nicht der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt per se. "Aber es ist ein gesellschaftlicher Fortschritt."

Um diesen Erfolg zu erreichen, brauche es Fortbildungen und Trainings für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Kommunikation, argumentiert Wissenschaftsjournalistin Beatrice Lugger in Karlsruhe. "Weil Wissenschaftskommunikation so wichtig ist, müsste sie idealerweise in allen Studiengängen gelehrt werden", sagt die studierte Chemikerin. Lugger ist Direktorin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik). Das von der Klaus Tschira Stiftung und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gegründete Projekt will Forschern die Grundlagen guter Wissenschaftskommunikation vermitteln.

Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten verständlich erklären können, woran sie forschten und wie ihre Disziplin funktioniere, meint Lugger. In einer Welt der sozialen Medien, in der die Wissenschaft kleinteiliger werde und die "Verfachsprachlichung" zunehme, fehle vielen Akademikern aber das Training. Es gebe durchaus eine große Bereitschaft von Forschenden, in den Dialog zu gehen. "Aber manchen fehlt wegen mangelnder Ausbildung in Sachen Wissenschaftskommunikation schlicht der Mut dazu."

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