Acht Etagen ist der Raum hoch, mit Gitterböden und Treppen aus schwerem Gusseisen, getaucht in trübes Licht, das durch die Decke aus dickem Glas eindringt. Es ist kühl. In der Luft liegt der Geruch von Leder und vergilbtem Papier, das sich in alten Regalen stapelt. Im Magazin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg begann vor fast 240 Jahren das moderne Bibliothekswesen. Systematisch, wissenschaftlich, auf den Austausch von Informationen ausgelegt. Und man muss nur die Straße überqueren, um das nächste Zeitalter der wissenschaftlichen Veröffentlichung heraufziehen zu sehen.
An einem Montag Mitte Februar sitzt die Direktorin der geschichtsträchtigen Unibibliothek dort etwas erschöpft in ihrem Büro, sie hat den ganzen Tag Gespräche geführt. Doch beim Thema Elsevier fangen die Augen von Anke Berghaus-Sprengel sofort wieder an zu funkeln. "Wir halten durch", sagt sie. "Egal, wie lange es dauert." Durchhalten, damit meint die drahtige Mittfünfzigerin den Verzicht auf alle Publikationen des wissenschaftlichen Großverlegers. In Halle sind das 3451 Zeitschriften, eine davon gedruckt, alle anderen online. Und mit Durchhalten meint Berghaus-Sprengel eigentlich auch mehr als die sechs Wochen, die seit Beginn des Verzichts vergangen sind. Die Wut wäre groß genug gewesen für weit mehr.
Im Deal soll Open Access ein integraler Bestandteil der Lizenz sein. Doch Elsevier will extra Geld
Was die Bibliothekschefin aber noch nicht weiß: Sie muss nicht mehr durchhalten. Elsevier hat an diesem Montag alle Zugänge von deutschlandweit insgesamt 60 betroffenen Einrichtungen wieder freigeschaltet, all jenen Institutionen, denen man nach Silvester den Hahn abgedreht hatte, mitten in den Verhandlungen um einen neuen Vertrag. Es sah so aus, als müssten die Forscher sehr lange ohne das wichtigste Gut ihres Berufsstandes auskommen: umfassende Information. Doch jetzt fließt sie wieder. Der Grund für den Sinneswandel ist unklar. Seit Monaten schon streitet der Verlag mit der Hochschulrektorenkonferenz um eine nationale Lizenz für den Zugang zu Elsevier-Zeitschriften. Der "Deal", wie er offiziell heißt, soll die Einzelverträge ablösen, mit denen Universitäten und Forschungsinstitutionen bislang finanziell zu kämpfen hatten. Im Dezember eskalierte die Situation, weil viele Einrichtungen in Erwartung einer zeitigen Einigung zum Deal ihre alten Verträge nicht verlängert hatten. Und Elsevier ließ seine Muskeln spielen.
Richtig glücklich scheint der Konzern mit diesem Schritt allerdings nicht geworden zu sein. In einer Mitteilung auf der Website von Elsevier heißt es nun, das vorrangige Ziel des Unternehmens sei, "der Wissenschaft zu dienen". Die Entscheidung, allen betroffenen Institutionen den Zugang zu den Publikationen des Verlages wieder zu gewähren, solle "die Unterstützung" spiegeln, die der Verlag der deutschen Wissenschaft zukommen lässt. Ein Sprecher von Elsevier, Hannfried von Hindenburg, sagte der Süddeutschen Zeitung gar, sein Unternehmen sei "in Sorge", dass eine umgestaltete Publikationsweise für die deutsche Forschung "zu teuer" würde.
Warum es trotzdem noch keinen Deal gibt? Die HRK will das sogenannte Open- Access-Modell in die nationale Lizenz integrieren. Open Access bedeutet, dass Forscher für die Online-Publikation einer Forschungsarbeit Geld bezahlen. Dafür hat jeder, der will, kostenlos Zugang zu der Arbeit, kann sie herunterladen, drucken, speichern. Für die Wissenschaftsgemeinde, deren Interesse vor allem darin besteht, Erkenntnisse auszutauschen, ist Open Access die zentrale Alternative zur Publikation in kostenpflichtigen Journalen geworden. "Der Bedarf an Open Access ist da", sagt Berghaus-Sprengel. Das gilt auch für die Bibliotheken. Denn "zu teuer" ist der Bezug von Zeitschriften schon sehr lange.