Wissenschaft - Braunschweig:Epidemiologe: "Zahl der Erkrankungen wichtiger als Befunde"

Braunschweig
Gérard Krause steht am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung HZI. Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Braunschweig (dpa) - Im Kampf gegen das Coronavirus müssen nach Überzeugung des Epidemiologen Gérard Krause die tatsächlich an Covid-19 Erkrankten stärker in den Blick genommen werden. "Die Zahl und Schwere der Erkrankungen ist viel wichtiger als die Zahl der Laborbefunde allein", sagte der Wissenschaftler vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Die Zahl der Neuinfektionen sei als einziger Wert für einschränkende Maßnahmen sachlich problematisch. "Man muss zum Beispiel wissen, wo und in welchen Personen- und Berufsgruppen die Infektionen hauptsächlich übertragen werden, oder wie die Versorgungslage in Krankenhäusern und Pflegeheimen ist."

Der Mediziner schlägt ein Punktesystem vor. "Ich schätze, mit einer Kombination von fünf bis zehn bereits verfügbarer Indikatoren, zu denen wir jeweils die zeitliche und geografische Dynamik und die Altersverteilung betrachten, könnten Behörden deutlich zielgerichteter agieren", sagte er. Eine fünfstufige Skala hält Krause für sinnvoller als die Corona-Ampel mit Grün, Gelb und Rot. Er sei sehr froh über die bald verfügbaren Impfungen, sagte Krause. Eine Impfpflicht lehne er aber kategorisch ab.

Wegen der anhaltend hohen Corona-Zahlen ruft Bayern ab dem 9. Dezember erneut den Katastrophenfall aus, verbunden mit strengeren Einschränkungen. "Weil Bayern besonders hart betroffen ist, macht dies einen gewissen Sinn", sagte der Epidemiologe. "Das Mehr an Maßnahmen muss allerdings gezielt sein." Vor allem müssten Altenheime, mobile Pflegeheime und Senioren besser unterstützt werden. "Die Möglichkeiten, besondere Risikopersonen etwa in Altenheimen besser zu schützen, sind noch lange nicht ausgeschöpft", betonte er. "Wenn wir in diesen Bereich ebenso früh und so viel Aufmerksamkeit gerichtet hätten wie in die Ermöglichung von Fußballspielen, wären wir jetzt vielleicht hier besser aufgestellt."

Zur Gestaltung des Weihnachtsfests schlägt der Forscher vor, für den privaten Bereich konkrete Empfehlungen zu geben, statt Vorschriften zu machen, die man kaum überprüfen könne. Für eine Zusammenkunft mit betagten Familienmitgliedern könnte man Krause zufolge zum Beispiel dafür werben, einen Mundschutz zu tragen und ihn nur zu den Mahlzeiten abzunehmen.

Die Zahl der Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage lag laut Robert Koch-Institut am Montag bundesweit im Schnitt bei 146 - in Sachsen waren es 322, in Mecklenburg-Vorpommern nur 50. Welche Faktoren für diese Unterschiede verantwortlich sind, ist dem Wissenschaftler zufolge unklar.

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