Tierische Persönlichkeiten:Charakter auf vier Pfoten

Hunde sind Persönlichkeiten - mit einer überraschend menschlichen Psychologie

Von Birgit Will

Sam ist ein eher zurückhaltender Typ. Fremden gegenüber ist er schüchtern, seine Familie dagegen liebt er heiß und innig. Richtig in Fahrt aber kommt Sam bei neuen Herausforderungen; dann verblüfft er seine Umwelt durch originelle Lösungsstrategien.

Für sein Herrchen ist Sam daher der beste aller Hunde, vor allem aber eine einzigartige Persönlichkeit, wie es nie wieder eine zweite geben wird.

Wovon Millionen Hundehalter ohnehin überzeugt sind, das hat ein amerikanischer Psychologe nun mit wissenschaftlicher Gründlichkeit belegt: Hunde haben eine ausgeprägte Persönlichkeit.

Fragebogen für Hunde

Das lasse sich verallgemeinernd sagen, unabhängig vom Beobachter und auch weitgehend unabhängig von der Rasse, so Sam Gosling von der Universität Texas.

Zu diesem Schluss kam Gosling, indem er ein gängiges Persönlichkeitsmodell der Psychologie auf Hunde übertragen hat: Das "Big-Five-Modell" charakterisiert Menschen basierend auf fünf grundlegenden Eigenschaften. Die für dieses Modell üblicherweise verwendeten Fragebögen ließen sich laut Gosling ohne große Probleme an die Vierbeiner anpassen.

Lediglich die Frage "Haben Sie vielfältige künstlerische Interessen?" wurde als unübersetzbar gestrichen. Gosling verglich zunächst die Einschätzung der Hunde durch ihren Besitzer mit der durch einen anderen vertrauten Menschen.

Intelligenztest

In einem weiteren Schritt ließ er das Verhalten der Hunde von jeweils drei bis dahin fremden Gutachtern bei bestimmten Aufgaben beurteilen. So wurde etwa die Offenheit eines Hundes gegenüber Fremden bewertet oder auch sein Temperament bei einem kurzen Spurt.

Als Probe der Intelligenz diente die Suche nach einem Leckerbissen, der unter einer Plastiktasse versteckt war. Schließlich wurde der Hund von einem Fremden fortgeführt und musste dabei mitansehen, wie sein Besitzer sich mit anderen Hunden beschäftigte.

Das beobachtete Verhalten deckte sich dabei mit der zuvor abgebenen Einschätzung - die Übereinstimmung hatte das gleiche Ausmaß, das auch bei vergleichbaren Tests an Menschen erzielt wird.

Give me five

"Mit unserer Methode könnte man in Tierheimen passende Hunde für neue Besitzer ermitteln", sagt Gosling. Er ist zudem davon überzeugt, dass sich auf der Grundlage seiner Arbeit auch die genetische Grundlage von Persönlichkeitsmerkmalen erforschen lasse.

Von den Eigenschaften des Big-Five-Modells findet man seiner Meinung nach vier Analoga auch in Hunden: Extraversion (die hündische Energie), Neurotizismus (emotionale Stabilität), Offenheit und Verträglichkeit.

Nur das Charakteristikum "Gewissenhaftigkeit" konnte der Psychologe bei Hunden nicht entdecken. "Diese Eigenschaft besitzen nur Menschen und ihre nächsten Verwandten, die Schimpansen", meint er. "Gewissenhaftigkeit ist in der Evolution eine vergleichsweise junge Erscheinung."

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