Wissen:Biblische Horden

Ist der Kampf gegen Heuschrecken je zu gewinnen? "Sie bedeckten den Erdboden so dicht, dass er ganz dunkel wurde. Und sie fraßen alles, was im Lande wuchs, und alle Früchte auf den Bäumen, die der Hagel übrig gelassen hatte." Exodus 10:5

Deutsche Bearbeitung: Christina Berndt

Das also ist es, worüber Moses gesprochen hat. Schon von weitem wird klar, dass etwas auf schreckliche Weise nicht stimmt mit den Bäumen nahe dem marokkanischen Ort Sebt Bounaamane.

Wissen: Ein kräftiger Wind macht es möglich: Einfall der Heuschrecken-Horden aus Afrika in Fuerteventura im November.

Ein kräftiger Wind macht es möglich: Einfall der Heuschrecken-Horden aus Afrika in Fuerteventura im November.

(Foto: Foto: dpa)

Sie haben eine rosarote Glasur, als wechselten ihre Blätter die Farbe - nur sind die Argan-Bäume eigentlich immergrün. Wenn man näher kommt, erkennt man in der Farbe eine zappelige Masse; Heuschrecken machen sich über die Bäume her.

Marokko und seine Waffen

Aber Marokko hat seine Waffen. Aus dem nahen Gebirge kommen gelbe Flugzeuge herangebraust und versprühen feinen Nebel. Bald wird ein Geruch von Pestiziden die Luft füllen, und in acht Stunden werden die meisten dieser Heuschrecken tot sein. Wieder einmal kämpft Afrika gegen die Wüstenheuschrecke, und in diesem Winter ist Südmarokko Ground Zero.

Dutzende Flugzeuge machen jeden Morgen ihre tödlichen Trips; wenn sie es schaffen, genügend Heuschrecken zu töten, wird es vielleicht doch nicht zu einer voll ausgewachsenen Plage kommen.

Vielleicht. Bis heute ist der Kampf gegen die Heuschrecken mehr eine Kunst als eine Wissenschaft. Niemand weiß sicher, wie man eine Plage verhindern oder auch nur eindämmen kann. Schließlich gibt es nicht annähernd genug Heuschreckenforscher - und letztlich nicht einmal genügend Heuschrecken. Nur alle paar Jahre kommt es zu einer Plage. In der Zwischenzeit ist das Forschen schwierig.

Aufgehalten wird der Fortschritt allerdings auch durch die anhaltenden Zweifel, ob die Heuschrecken wirklich so große Anstrengungen rechtfertigen. Länder, die von den Tieren heimgesucht werden, beklagen zwar hohe ökonomische Verluste, aber manche Forscher sehen die Lage nicht so dramatisch.

Sie sagen, Heuschrecken seien wie Hurrikane. Ihre lokalen Auswirkungen seien enorm, die nationalen nicht mehr. "Die Heuschrecken haben nur einen schlimmen Ruf", sagt Philip Symmons, ein Veteran des Heuschreckenkrieges, der heute in Frankreich lebt. "Es ist alles wegen des Exodus."

Biblische Horden

Die aktuelle Notlage ist die schwerwiegendste seit der riesigen, drei Jahre andauernden Plage, die 1989 zu Ende ging. Damals waren die Schwärme über 30Länder zwischen Westafrika und Indien hergefallen. Diesmal ist es noch nicht ganz so schlimm. Dennoch ist die Situation beunruhigend - vor allem, weil sie so unerwartet kam: Seit der letzten Plage haben die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO und viele Länder stolz verkündet, künftig könnten sie eine Krise solchen Ausmaßes verhindern.

Frühwarnsystem

Sie haben Frühwarnsysteme entwickelt. Denn die meiste Zeit sind Wüstenheuschrecken Einzelgänger; nur nach einem schweren Regenfall, der die Vegetation sprießen lässt, kommt es zur spektakulären Transformation. Erst rotten sich die Tiere zu kleinen Schwärmen zusammen; dann verbinden sich diese erneut - bis die Schwärme gigantisch werden.

Lokale Teams suchen deshalb in Zusammenarbeit mit der FAO nach frühen Anzeichen für eine Zusammenrottung. Doch das ist nicht leicht. Das Gebiet, in dem es zu einem Ausbruch kommen kann, ist riesig, unzugänglich und großteils unbewohnt. "Manchmal trifft man den Leiter eines nationalen Heuschreckenkontrollprogramms, und er weiß nicht einmal die grundlegendsten Dinge über Heuschrecken", sagt Arnold van Huis von der Universität Wageningen in den Niederlanden.

Doch selbst wenn es genügend personelle und finanzielle Ressourcen gäbe, hätte die Präventionsstrategie womöglich keine Chance, meinen manche Experten. Die ersten Ansammlungen von Wüstenheuschrecken seien so klein, dass man die Keimzellen kaum alle finden könne, sagt Symmons. Die Länder sollten lieber die großen Schwärme angreifen, sie seien die leichteren Ziele.

FAO: Prävention kann funktionieren

Clive Elliott von der FAO ist jedoch anderer Meinung: Prävention könne funktionieren. Als die Schwärme 2003 zum ersten Mal in Westafrika auftauchten, gelangten sie kurze Zeit später über das Rote Meer nach Saudi-Arabien, wo sie traditionell nach Indien und Pakistan überspringen. Aber diesen Ausbruch habe die FAO mit Präventivmaßnahmen verhindern können.

Dennoch wird der breite Einsatz der Pestizide heftig diskutiert.

Seit Oktober 2003 wurden etwa elf Millionen Liter über 110.000 Quadratkilometer Land versprüht. Zwar ist der Druck vor allem der Geberländer groß, den Einsatz der Pestizide zu reduzieren. Die Forschung an Alternativen aber geht nur langsam voran. Feldversuche sind schwierig, weil Plagen selten sind - und wenn sie passieren, hat die Eindämmung oberste Priorität. So wurden bisher nur wenige neue Pestizide getestet. Wie viel sie taugen, ist unklar.

Wenn Marokko noch drei oder vier Monate lang kämpft, könnte das Land es geschafft haben, glaubt Keith Cressman von der FAO. Andere Fachleute bezweifeln, dass der Mensch wirklich effektiv eingreifen kann. Als 1989 die letzte Plage vorüber war, führten das viele Experten schlicht auf die starken Herbstwinde zurück, die viele Heuschrecken in den Atlantik getrieben hatten.

Das war übrigens nicht das erste Mal: "Da wendete der Herr den Wind, sodass er sehr stark aus Westen kam; der hob die Heuschrecken auf und warf sie ins Rote Meer, dass nicht eine übrig blieb in ganz Ägypten", heißt es in Exodus 10. Martin Enserink

Dieser Bericht ist in einer längeren Version in der aktuellen Ausgabe des internationalen Wissenschaftsmagazins Science der AAAS erschienen. Deutsche Bearbeitung: Christina Berndt

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