Energiewende:Wellen, Wind und Wasserstoff

Windpark in der Ostsee

Windräder im Meer: Technisch aufwendig, aber zumindest klagen die Nachbarn nicht.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Vor Helgoland will ein Konsortium mit Windstrom mitten im Meer Wasserstoff produzieren. Ist das die Zukunft?

Von Ralph Diermann

Viel Wind, viel Platz und keine Nachbarn, die sich gestört fühlen - das Meer bietet beste Bedingungen, um Windstrom zu erzeugen. Ein Nachteil der Kraftwerke auf hoher See ist allerdings, dass sich die erzeugte elektrische Energie nur mit großem Aufwand ans Festland transportieren lässt. Denn dafür sind neben Hochspannungs-Gleichstrom-Kabeln auch teure Umspann- und Konverterstationen in den Offshore-Windparks nötig. Ein Zusammenschluss von Unternehmen, Forschungsinstituten und öffentlichen Einrichtungen namens Aqua Ventus will die Energie daher nun direkt vor Ort verwerten: Elektrolyseure sollen mit dem Windstrom mitten im Meer grünen Wasserstoff produzieren, der dann durch Rohrleitungen an Land gebracht wird. "Pipelines haben den Vorteil, dass man damit etwa fünfmal mehr Energie übertragen kann als mit einem Kabel", sagt Sebastian Föllner, Ingenieur im Koordinationsbüro von Aqua Ventus.

Die Partner, darunter RWE, Eon, Siemens Energy und Shell, wollen zunächst 2025 vor Helgoland zwei Windräder installieren, an deren Türme Plattformen für die Elektrolyseure montiert werden. "Die Anlagen werden in Container eingekapselt, sodass sie vor Wasser und der salzigen Luft geschützt sind", erklärt Föllner. Auf der Fläche finden den Plänen nach auch Entsalzungsanlagen Platz, die aus dem Meerwasser das für die Elektrolyse benötigte Süßwasser gewinnen. Der erzeugte Wasserstoff wird über eine noch zu verlegende Pipeline abtransportiert.

Die Wasserstoffproduktion auf See ist meist kostengünstiger als die Produktion an Land mit Offshore-Windstrom

Den Erfolg dieses Pilotprojekts vorausgesetzt, soll dann 2028 in der Deutschen Bucht der erste kommerzielle Offshore-Wasserstoffpark mit 290 Megawatt Leistung gebaut werden. Zur Mitte des nächsten Jahrzehnts hält Aqua Ventus eine installierte Leistung von zehn Gigawatt für machbar. Eine Million Tonnen grüner Wasserstoff könnte dann dort jährlich produziert werden. Damit ließen sich die CO₂-Emissionen der deutschen Stahlindustrie fast halbieren.

Wegen des weniger aufwendigen Pipeline-Transportes ist die Erzeugung von Wasserstoff auf See kostengünstiger als die Produktion an Land mit Offshore-Windstrom, sofern der Wasserstoff nicht direkt am Elektrolyseur verbraucht wird. Das zeigt eine vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Auftrag gegebene Kurzstudie. Je leistungsstärker die Windparks sind, desto größer sei die Kostendifferenz. Auch schneide die Hochsee-Elektrolyse umso besser ab, je weiter die Windparks von der Küste entfernt sind. Ein großer Vorteil mit Blick auf Standorte, die so weit draußen im Meer liegen, dass sich ein Windpark mit Anbindung ans Stromnetz nicht rentieren würde - etwa im sogenannten Entenschnabel, einer bis zu 400 Kilometer von der deutschen Küste entfernten Fläche in der Nordsee, die allein die Bundesrepublik wirtschaftlich nutzen darf. Näher am Festland gelegene Windparks könnten dann Strom für das Netz erzeugen, weiter entfernte Anlagen Wasserstoff.

Für eine Offshore-Elektrolyse im großen Stil fehlt es allerdings noch am nötigen Rechtsrahmen, etwa was die Ausweisung von Flächen oder die Genehmigungsverfahren betrifft. Und auch technisch gibt es viele offene Fragen - zum Beispiel wie Elektrolyseure damit zurechtkommen, wenn sie direkt vom Windrad mit Energie versorgt werden. "Hängt ein Elektrolyseur am Stromnetz, arbeitet er unter konstanten Bedingungen. Koppelt man ihn mit einer Windenergieanlage, wird dessen Betrieb aber viel dynamischer, da die Stromerzeugung schwankt", erklärt Andreas Reuter, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme (IWES). Die Qualität des Offshore-Stroms entspreche nicht unbedingt der im Netz. "Wie sich all das auf Leistung und Alterung der Elektrolyseure auswirkt, ist noch unbekannt."

Was in Deutschland vielleicht nicht funktioniert, könnte ein Zukunftskonzept für andere Regionen sein

Diese und viele weitere Fragen untersuchen die Fraunhofer-Forscher jetzt zusammen mit Partnern im Projekt H2Mare. Dort beschäftigen sich die Wissenschaftler unter anderem auch mit der Weiterverarbeitung des erzeugten Wasserstoffs zu synthetischen Kraft- und Brennstoffen auf See sowie mit der Salzwasser-Elektrolyse. Reuter warnt allerdings davor, schnelle Ergebnisse zu erwarten. "Das Konzept der Offshore-Elektrolyse ist längst noch nicht marktreif. Wir betreiben hier noch Grundlagenforschung", sagt der Wissenschaftler.

Auch der Branchenverbund Stiftung Offshore hält den Ball lieber flach. Nach Ansicht der Geschäftsführerin Karina Würtz lässt sich heute ohnehin noch nicht abschließend beurteilen, ob es besser ist, mit dem Offshore-Windstrom Wasserstoff auf See oder an Land zu produzieren. "Wir plädieren deshalb dafür, Erfahrungen mit beiden Konzepten zu sammeln - und dabei auch verschiedene Varianten zu erproben, zum Beispiel was den Transport des Wasserstoffs an Land betrifft."

Das sei auch mit Blick auf Projekte in anderen Regionen der Welt von Vorteil. "Was sich womöglich als ungeeignet für Deutschland herausstellt, könnte andernorts sehr sinnvoll sein", erklärt Würtz. Denn schließlich sieht die 2020 von der vormaligen Bundesregierung verabschiedete Nationale Wasserstoffstrategie vor, dass der überwiegende Teil des Bedarfs durch Importe gedeckt werden wird. Beim Aufbau der erforderlichen Produktionskapazitäten im Ausland könnte die Offshore-Industrie dann von Erfahrungen profitieren, die sie vor der heimischen Küste gemacht hat.

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