Erneuerbare Energien:Windstrom aus dem Drachenkraftwerk

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Erneuerbare Energien: Mit einer Art Drachen-Konstruktion will die Firma Skysails Strom aus Wind in großen Höhen gewinnen.

Mit einer Art Drachen-Konstruktion will die Firma Skysails Strom aus Wind in großen Höhen gewinnen.

(Foto: Skysails Power GmbH)

Mehrere Unternehmen wollen Strom erzeugen, indem sie Drachen durch die Luft kreisen lassen. Die Anlagen sind kaum sichtbar und leicht zu transportieren - könnten aber an der Bürokratie scheitern.

Von Ralph Diermann

Wer schon einmal bei einer ordentlichen Brise einen Drachen hat steigen lassen, der weiß, mit wie viel Kraft der Wind blasen kann. Mit diesem Kinderspiel als Vorbild wollen einige Unternehmen künftig Energie erzeugen: Sie planen, in mehreren Hundert Metern Höhe Lenkdrachen durch die Lüfte kreisen zu lassen, um damit Strom zu produzieren. Dort oben weht der Wind deutlich stärker und zudem gleichmäßiger als in den unteren Schichten. Deshalb schießen auch die konventionellen Windräder in den Himmel. Neue Anlagen an Land erreichen heute im Durchschnitt eine Höhe von gut 200 Metern, gemessen bis zur Spitze der Rotorblätter. Allzu groß ist der Spielraum für weiteres Wachstum jedoch nicht. Anders dagegen die Drachenkraftwerke, für sie könnte es noch weit höher hinausgehen.

Besonders stark sind die Kräfte, wenn die Flugkörper nicht still im Wind stehen, sondern hin und her schwenken. "Kitesurfer kennen das: Wenn man mit dem Segel liegende Achten fährt, zieht es wie wild an einem. Das Segel schießt förmlich durch die Luft. Dieses Prinzip machen wir uns zunutze, um Strom zu erzeugen", sagt Florian Bauer, Mitgründer und -geschäftsführer von Kitekraft aus Oberpfaffenhofen. Die Ausgründung aus der TU München hat einen Drachen aus Aluminium und Karbon entwickelt, in den mehrere Mini-Windräder integriert sind. Wenn die Anlage durch die Luft gleitet, erzeugen sie Strom. Leiter im Führungsseil transportieren die Energie zu Boden. Um den Drachen in die Luft zu bringen und wieder zu landen, haben die Kitekraft-Konstrukteure die elektrische Einheit des Systems so ausgelegt, dass die Rotoren auch als Propeller verwendet werden können.

Möglichst noch in diesem Jahr will das Unternehmen einen Drachen mit 2,5 Metern Spannweite in den Dauerbetrieb nehmen, um Robustheit und Sicherheit des Konzeptes nachzuweisen. In zwei Jahren soll dann eine Zehn-Meter-Anlage auf den Markt kommen, die eine Leistung von 100 Kilowatt erreicht - ein Vierzigstel der Leistung typischer Windräder an Land. "Perspektivisch streben wir Spannweiten von deutlich über 20 Metern an. Damit sind dann Leistungen im Megawattbereich möglich", sagt Bauer.

Der Strom kann in der Höhe oder am Boden erzeugt werden

Die Technologie von Kitekraft konkurriert mit einem anderen Konzept, auf das etwa Skysails aus Hamburg, Enerkíte aus Brandenburg oder Kitepower aus den Niederlanden setzen: Statt den Strom in der Höhe zu erzeugen, geschieht das über einen Generator, der am Boden installiert ist. Angetrieben wird er durch das Abwickeln des Seiles beim Aufstieg des Drachens - der dabei ebenfalls Achter-Bahnen zieht. Hat der Flugkörper seine maximale Flughöhe erreicht, nimmt er automatisch eine Position mit geringem Windwiderstand ein, so dass er sich mit wenig Energieaufwand zurück in Bodennähe ziehen lässt. Dann kann der Kreislauf erneut beginnen.

Für Sarah Barber, Leiterin des Fachbereichs Windenergie an der Ostschweizer Fachhochschule, haben Drachenkraftwerke vor allem deshalb Charme, weil sich damit hohe Windgeschwindigkeiten nutzen lassen. "Die Leistung wächst mit der Geschwindigkeit in Dreierpotenz. Eine doppelte Windgeschwindigkeit bedeutet also achtfache Leistung. Deshalb ist es bei der Windenergie generell wichtig, in die Höhe zu gehen", sagt die Wissenschaftlerin.

Allerdings ist für sie längst noch nicht ausgemacht, dass sich das Konzept tatsächlich durchsetzen wird - mehrere Hürden stünden dem noch im Weg. "So müssen die Hersteller erst noch nachweisen, dass die Anlagen den wechselnden mechanischen Belastungen dauerhaft standhalten können", erklärt Barber. Auch bei der Steuerung gebe es noch einiges zu tun. Denn schließlich ist es alles andere als trivial, die Drachen auf Kurs zu halten und sie sicher zu starten und zu landen, sagt Barber. Größte Herausforderung ist nach Ansicht der Forscherin aber, Genehmigungen für den Betrieb der Energiedrachen zu erhalten. Bislang gibt es keine Regelwerke, nach denen Behörden grünes Licht geben könnten.

Gelingt es, diese Aufgaben zu lösen, bleibt die Frage: Braucht es Drachenkraftwerke für die Energiewende überhaupt, wo doch Windräder und auch Solarparks bereits heute zu unschlagbar niedrigen Preisen klimaneutralen Strom liefern? Kitekraft-Chef Bauer ist überzeugt, dass bereits Anlagen mit 100 Kilowatt Leistung künftig ähnlich günstig Energie erzeugen können wie konventionelle Windräder, unter anderem wegen des geringen Materialbedarfs. Sie hätten dazu aber noch zwei einzigartige Vorteile: "Zum einen sind die fliegenden Windkraftanlagen nahezu unsichtbar", sagt Bauer. "Damit ist es möglich, Standorte für die Windenergie zu nutzen, an denen konventionelle Anlagen aus Gründen des Landschaftsschutzes nicht in Frage kommen." Und zum Zweiten könnten sie ohne Schwertransport zum Installationsort befördert werden.

Doch es geht auch ohne, meint Philip Bechtle, der am Physikalischen Institut der Universität Bonn unter anderem zu Drachenkraftwerken forscht. "Wir brauchen die fliegenden Anlagen für die Energiewende nicht zwingend, die nötigen Technologien sind längst da." In einigen Nischen könnten sie aber eine sinnvolle Ergänzung sein, meint Bechtle. Als mögliches Einsatzfeld nennt er die Kopplung mit Solarparks. Dort könnten sie Strom erzeugen, wenn die Photovoltaik bei dicken Wolken oder Dunkelheit schwächelt.

"Auf diese Weise ließe sich der Anschluss an die Stromnetze besser ausnutzen. Das macht das ganze System wirtschaftlicher", sagt der Wissenschaftler. Kurzfristig sieht er dort Potenzial, wo heute noch teure, schmutzige Dieselaggregate Strom erzeugen, etwa auf Inseln oder an abgelegenen Standorten. "Das wird der Einstiegsmarkt für die Anlagenhersteller sein", sagt Bechtle. Dort dürfte es dann auch einfacher werden, eine Genehmigung für den Betrieb der Energiedrachen zu erhalten.

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