Wiener Protest gegen Homöopathie:Überdosis gegen Aberglaube

Überdosen gegen Homöopathie-Aberglaube

"Nix drin, nix dran" - der österreichische Physiker und Homöopathie-Gegner Heinz Oberhummer gibt sich die Kugeln.

(Foto: GWUP Wien, Florian Aigner)

Allerkleinste Mengen Phosphor, Hundekot oder Berliner Mauer: Dass Homöopathie naturwissenschaftlich betrachtet Unsinn ist, wollten Aktivisten in Wien beweisen, indem sie Überdosen Globuli einnahmen. Heinz Oberhummer war dabei. Und spürt keinerlei Nebenwirkung.

Von Martin Zips

Auf dem Wiener Stephansplatz haben sich einige Dutzend Ärzte, Wissenschaftler, Apotheker und Medizinstudenten eine beeindruckende Dosis Naturheilmittel in Form von Tropfen und Globuli verabreicht. Rechtzeitig zur "Internationalen Woche der Homöopathie" wollten die Experten damit zeigen, dass alternative Arzneimittel nichts bewirken - selbst dann nicht, wenn man sie in Massen schluckt. Unter den Aktivisten befand sich auch der österreichische Physiker und Wissenschaftskabarettist Heinz Oberhummer, 71.

Herr Oberhummer. Wie fühlen Sie sich, 24 Stunden nach Ihrer gefährlichen Selbstmedikation?

Oberhummer: Pudelwohl. Gestern noch hat mir eine Homöopathin Durchfall und Kopfschmerzen und alle möglichen Wehwehchen prophezeit. Da kam aber nichts.

Was genau haben Sie genommen?

Phosphorus C 30. Also 30 mal auf jeweils um ein Hundertstel verdünnten Phosphor. Vom Volumen her gesehen entspricht die Verdünnung in einem Globulus der eines Tropfens im Sonnensystem. Da finden Sie von der Ursprungssubstanz kein einziges Molekül mehr. Homöopathen empfehlen davon täglich drei, vier Kügelchen. Ich habe bestimmt hundert gleichzeitig geschluckt.

Viele Menschen schwören auf diese Art der alternativen Behandlung. Es gibt sogar Globuli, in denen Spinnengift oder die Strahlen einer Sonnenfinsternis konserviert sein sollen.

Es gibt auch welche, in denen sich verdünnte Hundescheiße finden soll, vielleicht gegen Ekel. Auch Reste der Berliner Mauer oder ein Vakuum soll es geben. Letzteres ist durchaus konsequent.

Vielleicht hilft die Einnahme von verdünnter Berliner Mauer gegen Klaustrophobie oder Preußenhass.

Richtig. So etwas könnte auf der Verpackung stehen, da haben Sie ganz recht. Manche Homöopathen schrecken wirklich vor nichts zurück. Ich hätte ja gar nichts dagegen, wenn die Homöopathen erklären würden: "Hier handelt es sich um ein Placebo, vielleicht hilft's Ihnen, wenn Sie nur dran glauben." Die Sauerei aber ist, dass die behaupten, ihre Kugeln hätten eine Wirkung, die über den reinen Placebo-Effekt hinausgeht. Das ist naturwissenschaftlich gesehen Unsinn.

Aber Kindern gibt man bei Schlaflosigkeit auch mal einen Teelöffel Honig und sagt: "Schluck's, das hilft.

Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden! Problematisch wird die Sache nur, wenn Sie einem Schwerkranken, dem vom Arzt geholfen werden könnte, einen Löffel Honig geben und sagen: "Das reicht."

Aber viele Menschen glauben halt dran. Deren Weltbild zerstören Sie, wenn Sie auf dem Stephansplatz einfach rufen: "Nix drin, nix dran" und dann alles runterschlucken.

Ich finde es aber falsch, wenn Menschen alles abblocken, was ihr Weltbild stören könnte. In der Psychologie heißt so etwas kognitive Dissonanz. Und es regt mich auf, wenn andere mit so einer Phantasiewelt viel Geld verdienen. Nicht nur die Pharma-Industrie scheffelt gigantische Beträge, es ist auch die Homöopathie-Industrie. Und die müssen ihre Produkte nicht einmal testen lassen, bevor sie sie teuer verkaufen.

Werden Sie eigentlich oft beschimpft?

Nein. Die Leute sind eher enttäuscht von mir. Aber ich zeige denen dann immer, dass auch ich einen Talisman mit mir führe und trotzdem immer skeptisch bleibe. Das finden die gut. Dann hören sie zu.

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