WHO zu Arbeiten an Vogelgrippe-Virus:Erst denken, dann drucken

Im Streit um die Forschung an hochansteckenden Vogelgrippe-Viren meldet sich nun auch die WHO zu Wort. Anders als die alarmierten Experten der US-Regierung plädiert sie für die Offenlegung der Arbeiten an dem Supervirus.

Christina Berndt

Zwei Tage lang haben sich hochrangige Experten im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO darüber beraten, wie mit den aggressiven und zugleich hochansteckenden Grippeviren umzugehen sei, die zwei Forscherteams aus den Niederlanden und den USA im November gezüchtet haben. Das WHO-Gremium, das sich aus nicht namentlich genannten Vertretern der Wissenschaft, Ethik, Forschungsförderung und wissenschaftlicher Fachjournale zusammensetzte, kam zu einem überraschenden Schluss: Die Forschungsarbeiten, welche die Wissenschaftler derzeit in Selbstverpflichtung für 60 Tage ruhen lassen, sollten mit einem länger dauernden Moratorium belegt werden. Diese Zeit solle genutzt werden, um über die Folgen solcher Forschung nachzudenken und die Öffentlichkeit besser zu informieren.

H5N1-Virus

Forschung ohne Zensur? Ein Aufnahme durch ein elektronisches Mikroskop zeigt den Grippe-Virus H5N1 - durch Wissenschaftler noch nicht verändert.

(Foto: dapd)

Danach aber, so empfiehlt die WHO, soll die Forschung weitergehen, "angesichts der hohen Todesrate, die die natürlichen H5N1-Viren bei Menschen haben" wie es WHO-Sonderberater Keiji Fukuda begründet. Und es solle keine Zensur geben: Die Wissenschaftler sollen ihre Experimente, mit denen sie das für Menschen besonders tödliche, natürliche H5N1-Virus (den Erreger der Vogelgrippe) im Labor auch noch besonders ansteckend gemacht haben, vollständig veröffentlichen dürfen, so wie es in der Wissenschaft üblich ist.

Diese Stellungnahme widerspricht der Empfehlung des NSABB, eines Expertengremiums der US-Regierung zur Biosicherheit. Es hatte sich im Januar für eine teilweise Publikation ausgesprochen, damit unverantwortlichen Forschern oder Bioterroristen nicht die Bauanleitung für ein hochgefährliches Virus geliefert werde.

Bruce Alberts, Chefredakteur der Zeitschrift Science, in der eine der wissenschaftlichen Arbeiten erscheinen soll, gab auf der Tagung der Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS) in Vancouver eine unentschlossene Stellungnahme ab. Er könne sich kein spezielles Urteil in der Sache erlauben, weil er kein Grippeexperte sei, sagte er, sprach sich aber für ein internationales Bioethikgremium nach Vorbild des NSABB aus, weil solche schwierigen Fragen in Zukunft immer wieder auftreten würden.

Die Virenzüchtungen aus den Niederlanden und den USA seien "ein Warnschuss, dass man sich besser auf solche Viren vorbereiten muss" - gleich, ob sie in der Natur oder in Forschungslabors entstehen.

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