WHO ruft Pandemie aus:Höchste Gefahrenstufe für Schweinegrippe

Die Weltgesundheitsorganisation hat die Schweinegrippe zur Pandemie erklärt. Weltweit haben sich mehr als 28.000 Menschen infiziert.

W. Bartens und D. Graalmann

Die Schweinegrippe breitet sich weiter aus. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat am Donnerstag die Schweinegrippe als weltweite Seuche eingestuft. Auf einer Dringlichkeitssitzung in Genf kamen führende Seuchenexperten zusammen und bewerteten die Influenza A vom Typ H1N1 als Pandemie der höchsten Alarmstufe 6.

Weltgesundheitsorganisation hat die Schweinegrippe zur Pandemie erklärt

Zwei Mädchen in Hongkong: Wegen der Schweinegrippe ist ihr Kindergarten nun für zwei Wochen geschlossen.

(Foto: Foto: AFP)

Damit ist das erste Mal seit der so genannten Hongkong-Grippe im Jahr 1968 für eine Grippe die höchste Alarmstufe ausgelöst worden. Weltweit wurden bisher nahezu 28000 Krankheits- und mehr als 140 Todesfälle durch den H1N1-Virus bestätigt.

Auch in Deutschland häufen sich die Fälle, insbesondere an Schulen und Kindergärten. Nachdem an einem Kölner Gymnasium und in einem Münchner Kindergarten insgesamt sechs Fälle gemeldet worden waren, bestätigte sich am Donnerstag der Verdacht auf den Schweinegrippe-Virus H1N1 bei 32 Kindern der Japanischen Schule in Düsseldorf.

Bereits am Montag war dort ein sechsjähriger Junge positiv getestet worden. Die Schüler einer sechsten Klasse, die nun infiziert sind, hatten allerdings keinen Kontakt mit dem Jungen. Sie haben sich womöglich auf einem Schulausflug nach Thüringen angesteckt.

Die Kinder wurden in häusliche Quarantäne genommen, auf dem Schulgelände wurde am Donnerstag vom Düsseldorfer Gesundheitsamt ein Massentest an den 560 Schülern und ihren Familien sowie den rund 30 Lehrern vorgenommen. Die Ergebnisse wurden noch für den Verlauf des Tages erwartet. Der Leiter des Gesundheitsamtes, Heiko Schneitler, rechnet allerdings "mit mehr Streuung". Die Schule wird vorsorglich zumindest bis Ende kommender Woche geschlossen bleiben. Auch im Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) wird erwartet, dass die Zahl von derzeit 95 Schweinegrippe-Fällen in Deutschland weiter steigt.

Die WHO hatte am 27. April die pandemische Warnstufe 4 ausgerufen, am 29. April die Phase 5. Phase 5 ist charakterisiert durch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Virus in mindestens zwei Staaten einer WHO-Region. Phase 6 ist definiert durch "fortgesetzte Übertragungen des Virus von Mensch zu Mensch" in zumindest einem weiteren Land in einer weiteren WHO-Region.

Phase 6 weist auch darauf hin, "dass sich eine globale pandemische Situation aufbaut" - aber längst noch nicht weltweit eingetreten ist. Die WHO betont, dass die meisten Staaten noch nicht von der neuen Grippe betroffen sind.

Mit der Warnstufe 6 für die Schweinegrippe ändert sich nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Deutschland vorerst wenig. Weder müssen Schulen geschlossen noch Veranstaltungen abgesagt werden. Die Pandemie ist nach Einschätzung der Behörden trotz der neuen Fälle noch nicht in Deutschland angekommen. Jeder Staat muss selbst bewerten, wie stark er betroffen ist. Bisher lautet die Einschätzung des Gesundheitsministeriums: "In Deutschland herrscht derzeit keine Pandemie."

Schlimmer als Grippewelle

Der WHO zufolge scheint die vom H1N1-Virus ausgelöste Schweinegrippe deutlich kontagiöser zu sein als die jährliche Grippewelle. Während von der herkömmlichen Grippe fünf bis 15 Prozent der Menschen angesteckt werden, die mit einem Infizierten Kontakt hatten, beträgt der Anteil bei der Schweinegrippe zwischen 22 und 33 Prozent.

Allerdings verläuft das Leiden - mit Ausnahme des Ausbruchs in Mexiko, der von der WHO "noch nicht ganz verstanden wurde" - zumeist mild bei Menschen, die bisher gesund waren. Außerhalb von Mexiko betrafen fast alle Erkrankungen und sämtliche Todesfälle Menschen, deren Abwehrkräfte durch ein chronisches Leiden bereits stark geschwächt waren.

"Alle erforderlichen Strukturen funktionieren bereits jetzt", sagt RKI-Präsident Jörg Hacker. Deutschland hatte 2005 zu Zeiten der Vogelgrippe einen Nationalen Pandemieplan verabschiedet, der regelt, wie die Gesundheitsbehörden von Bund und Ländern im Fall einer Pandemie reagieren und sich abstimmen. Pandemiestufe 6 bedeutet zwar auch, dass Medikamente und Impfstoffe verteilt werden. Dazu wäre es in Deutschland aber noch viel zu früh.

Ein Impfstoff gegen die Neue Influenza wird zudem frühestens im Herbst zur Verfügung stehen. Die seit der Vogelgrippe in allen Bundesländern eingelagerten antiviralen Medikamente sind in großen Mengen vorhanden. Wie gut sie gegen die Schweinegrippe helfen, ist allerdings fraglich.

Das RKI bestätigt, dass "mit weiteren Erkrankungen gerechnet werden muss". Um rasch reagieren zu können, ist die internationale Situation von Bedeutung. Angesichts der aus betroffenen Staaten eingeschleppten Infektionen und den inzwischen auch in Deutschland aufgetretenen Infektionen weist das RKI darauf hin, wie wichtig Hygienemaßnahmen sind, "besonders bei Kontakt zu Reise-rückkehrern und bei vielen Kontakten, etwa in Schulen".

Influenzaviren werden vor allem durch Tröpfcheninfektion übertragen. Insbesondere beim Niesen oder Husten können Erreger auf die Hände gelangen und durch direkten Kontakt verbreitet werden. Daher wird häufiges Händewaschen empfohlen und das Husten in den Ärmel statt in die Hand.

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